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Architekten ohne Grenzen
Der Standard

Baufachleute können Know-how in die Krisengebiete transportieren - aber noch nicht jetzt

8. Januar 2005 - Ute Woltron
Die Frage, wie man abgesehen von Geldspenden der von der Flut betroffenen Bevölkerung Südostasiens vor Ort helfen könne, stellen sich und den Hilfsorganisationen natürlich auch zahlreiche Architekten und Architekturstudenten. Die gleich lautende Antwort der Fachleute auf Anfragen lautet: derzeit gar nicht. Bitte dringend daheim bleiben!

Freiwillige Helfer, so die Profis, würden derzeit eher im Weg herumstehen und alle Akutmaßnahmen behindern. Erst wenn die wichtigste Nothilfe geleistet sei, sagt Peter Burk, Sprecher der deutschen Organisation Architekten über Grenzen, könne an längerfristige bauliche Hilfestellungen gedacht werden.

Die Annahme, Architekten könnten bei Aufbauten von Flüchtlingslagern et cetera allerhand konstruktive Ideen sinnvoll anwenden, stellt sich - kurzfristig - als naiv heraus. Daniel Seller von Care Österreich: „Die verschiedenen Modulsysteme, die von Architekten entworfen wurden, haben sich immer als viel zu teuer erwiesen - und als unrealistisch, was das Gewicht und die Machbarkeit betrifft.“

Darüber hinaus sollten im akuten Katastrophenfall nur die erprobten „Guidelines for Emergencies“ des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) zum Tragen kommen. Burk: „Wenn wirklich Flüchtlingslager notwendig sind und Menschen nicht an anderen Stellen wie etwa in Klöstern, Schulen, Turnhallen Aufnahme finden, dann fordert der UNHCR zu Recht weltweit Standards ein.“

Diese generalstabsmäßig ausgearbeiteten Richtlinien definieren vom Lagergrundriss bis zum einzelnen Zelt, von den Latrinen-, Abwasser- und Wasseraufbereitungsarbeiten alle Details solcher Lager genauestens, was aus Gründen der Hygiene und Logistik überlebensnotwendig ist.
So weit zum Jetzt und zu den kommenden Wochen. Dennoch können Architekturfachleute beginnen darüber nachzudenken, wie später sinnvoll zumindest in Mikrobereichen mit Know-how und einmal mehr mit Geld geholfen werden kann. Die spanische Pioniertruppe Arquitectos sin Fronteras hat vielfach vorgezeigt, dass der Know-how-Transport auch bei geringen zur Verfügung stehenden Mitteln äußerst hilfreich sein kann. Im Gefolge der Spanier haben sich diverse Schwesterorganisationen etabliert, die für unterstützungswillige Architekten probate Ansprechpartner sind.
Burk von Architekten über Grenzen: „Wir werden erst dann aktiv, wenn die erste Nothilfe abgeebbt ist und die Kamerateams wieder nach Hause gefahren sind.“ Dann wird recherchiert, welche Hilfsorganisationen längerfristig in den betroffenen Gebieten tätig sind, ob Ingenieure und Architekten gebraucht werden und wie Fachleute am besten zum Einsatz kommen.

Hilfsaktionen auf eigene Faust sind fast immer kontraproduktiv, die Organisation muss den Profis überlassen bleiben. Bevor etwa der japanische Architekt Shigeru Ban 1994 für Ruanda und 1995 für Kobe Notunterkünfte aus Kartonröhren entwickelt hatte, war er kurzerhand im UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge in Genf vorstellig geworden, um seine Ideen zu präsentieren. Er war damals übrigens noch kein Weltstar, sondern einfach ein junger Architekt mit Mut und Durchsetzungskraft.

Auch Christoph Chorherr, der gemeinsam mit Architekturstudenten der TU-Wien laufend in Südafrika etwa Unterkünfte und Schulen organisiert, sagt: „Man muss unbedingt auf lokale Strukturen zurückgreifen, denn wenn man nicht aufpasst, können Gefüge durcheinander gebracht und Schaden gestiftet werden. Trotzdem gibt es keine Universitäten, keine Architekten, die jetzt nicht ihren Beiträge leisten könnten.“ TU-Studenten des Instituts für Wohnbau und Entwerfen bauten jüngst bei Johannesburg innerhalb von wenigen Tagen ein Schulgebäude, die Errichtungszeit konnte nur deshalb so kurz gehalten werden, weil Planung und Vorbereitung hier zu Lande äußerst sorgfältig erfolgt waren.

Burk betont, dass jede Maßnahme vor allem auch an die lokale Marktwirtschaft angepasst sein müsse, und dass sich beispielsweise das Einfliegen von Fremdmaterial durchaus kontraproduktiv auswirken könne. In Mittelamerika sei etwa der einheimische Wellblechmarkt vorübergehend zusammengebrochen, als man aus karitativen Gründen „Wellblech containerweise“ dorthin verschifft habe.

Die österreichische Bauindustrie hat derweilen das vorerst einmal Vernünftigste getan und ein zweckgerichtetes Spendenkonto für ihre Mitglieder eröffnet. Porr-Chef Horst Pöchhacker: „Große Konzerne wie wir fühlen sich natürlich zu humanitärer Hilfe verpflichtet, weshalb wir unseren finanziellen Beitrag leisten werden. Doch das hat mit längerfristigem Einstieg in diese Märkte, die weit außerhalb unserer Reichweite liegen, absolut nichts zu tun.“ Abgesehen davon seien die asiatischen Bauleute bekanntlich „auch keine Dilettanten“.

Christoph Chorherr hat seinerseits angekündigt, nach angemessener Frist ein ähnliches Projekt wie das südafrikanische auch in einem der von der Flutkatastrophe betroffenen Länder in Angriff nehmen zu wollen. Unterstützung hoch willkommen.

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