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Architektonische Märchenbilder
Neue Zürcher Zeitung

Der ägyptische Baukünstler Hassan Fathy in Frankfurt

22. Februar 2005 - Roman Hollenstein
Seine Gouachen zählen zum Zauberhaftesten, was die Architekturzeichnung im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Ihnen ist es zu danken, dass das Werk von Hassan Fathy (1900-1989) bis heute unvergessen ist. Denn mehr als dessen Bauten, von denen nur noch wenige wohlerhalten sind, vermitteln sie eine Idee vom Bestreben des Ägypters, die herkömmliche arabische Architektur mit den Errungenschaften der Moderne zu versöhnen. Damit erweist er sich als Geistesverwandter von Néstor Martín, einem nicht weniger interessanten regionalistischen Künstler, der auf Gran Canaria ebenfalls weisse Dörfer aus verschachtelten Kuppelhäusern visionierte und einen Pueblo Canario entwarf, den sein Bruder, der Architekt Miguel Martín, nach Néstors Tod im Jahre 1938 in Las Palmas auch ausführte.

Kaum dreissig Jahre alt, befasste sich der aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Fathy mit dem Entwurf einer Primarschule in Talkha. Zunächst entwickelte er ein neuklassisch-pantheonartiges Projekt, wandte sich dann aber der im Nahen Osten seit der Antike verbreiteten Lehmarchitektur zu, wie sie sich heute noch besonders schön am Beispiel der Wüstenstädte und Burgen Omans studieren lässt. Bei seinem ersten bedeutenden Werk, dem 1941 bei Kairo vollendeten landwirtschaftlichen Modelldorf Bahtim, konnte er dann - aufgrund des kriegsbedingten Materialmangels - erstmals die mit Hilfe nubischer Handwerker wiederbelebte Lehmbautechnik im grossen Stil einsetzen. Danach wurde ihm gegen erheblichen Widerstand der Bau des Dorfes Neu-Gourna bei Luxor anvertraut, das leider ein Fragment geblieben ist. Für einen sozial engagierten Grossgrundbesitzer verwirklichte er 1950 die Siedlung Lulu'at al-Sahara, und zwei Jahre später entstand mit der grandiosen Villa Stopplaere bei Luxor sein erstes grosses Privathaus. Die Honorare für seine Villen, von denen er einige im Ausland, andere für vornehme Auftraggeber wie Prinz Sadrudin Aga Khan baute, soll Fathy (so wird erzählt) in Bauprojekte für die arme Landbevölkerung investiert haben.

Nachdem er Mitte der sechziger Jahre noch Neu-Bariz, seine letzte grosse Dorfanlage in Ägypten mit Moschee, Souk, Schule und Krankenhaus, realisieren konnte, verunmöglichten neue Gesetze den Lehmbau weitgehend. Umso begeisterter wandte er sich daher 1980 der Aufgabe zu, für eine muslimische Gemeinschaft in New Mexiko das in der lokalen Adobe-Technik entworfene Lehmziegeldorf Dar al-Islam zu errichten. Nicht zuletzt dank einem postmodernen Paradigmenwechsel begann damals die Architekturwelt die künstlerische und moralische Haltung des Ägypters, der von den dogmatischen Modernisten in seiner Heimat lange als romantischer Kämpfer für überholte Konstruktionsweisen und traditionelle Bauformen belächelt worden war, als vorbildlich zu bewundern. So ehrte ihn die Aga Khan Foundation in Genf 1980 für sein Lebenswerk. Obwohl er nur gut 30 seiner 110 Projekte verwirklichen konnte, gilt Fathy heute als der wichtigste moderne Architekt Ägyptens, wenn nicht des ganzen arabischen Kulturkreises. Davon zeugt etwa das Fortleben seiner Ideen im Schaffen seines «Schülers» Abdelwahed al-Wakil und jüngerer nahöstlicher Architekten (NZZ 11. 2. 05).

Feierte das Deutsche Architektur-Museum in Frankfurt im vergangenen Sommer mit dem Werk von Geoffrey Bawa aus Sri Lanka bereits einen charismatischen Vertreter der aussereuropäischen Baukunst (NZZ 20. 8. 04), so gewährt es nun in einer kleinen Schau mittels 41 kostbarer Papierarbeiten Einblick in die verschiedenen Facetten von Fathys Kunst: von graphisch sorgsam gestalteten Bauplänen und Detailstudien über aquarellierte Ansichten eigener Häuser, dörflicher Szenen oder mameluckischer Monumente bis hin zu den zu Recht berühmt gewordenen, bald von persischen Miniaturen oder pharaonischen Wandmalereien inspirierten Gouachen idealer Architekturlandschaften. Ergänzt werden diese Blätter durch mehr als sechzig Fotos, welche Fathys Villen, Schulen, Moscheen und Bauerndörfer im gegenwärtigen Zustand festhalten. Dabei zeigt es sich, dass diese Bauten, in denen herkömmliche und moderne Architekturelemente harmonisch zusammenfinden, heute bereits so aussehen, als seien sie seit je Bestandteil der nahöstlichen Landschaft gewesen.

[ Bis 13. März. Katalog: Traumbilder der Architektur. Gouachen und Zeichnungen von Hassan Fathy. Deutsches Architektur-Museum, Frankfurt 2005. 47 S., Euro 12.-. ]

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