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Mikro-Makro-Shoppingkosmos
Der Standard

Einkaufen ist für die einen zum Freizeitspaß Nummer eins geworden und hat sich für die anderen zum Mega-Geschäft entwickelt. Entsprechende Shoppingarchitekturen halten die Städte umklammert, Einkaufszentren bilden Bezirke für sich. Die architektonische Gestaltung der großen Einheiten lag lange brach, doch nun beginnt man sich gelegentlich der Qualität der Boutiquenarchitektur zu besinnen.

28. Mai 2002 - Ute Woltron
Die Kleinen waren immer schon schlauer. Perfekt gemachte Boutiquen und Läden findet man in den Städten, seit es das Einkaufen gibt, und das hat natürlich beinharte wirtschaftliche Gründe. Schon Wiens Alt-Architektur-Heroe Adolf Loos verfasste knapp nach der Jahrhundertwende seitenlange Elogen über die wichtigsten Tugenden und Untugenden von Geschäftslokalitäten und liefert uns damit bis heute gültige Grundsätze, was man so alles zu beachten hat, will man ein funktionstüchtiges, also die Kundschaft nach Möglichkeit zum Eintreten und Gustieren verlockendes Geschäft gestalten.

Knapp hundert Jahre später verkündet der zeitgenössische Architekturheld, nämlich Rem Koolhaas, in modifizierter und in die neue Zeit übersetzter Form Ähnliches. Er erklärt das Einkaufen zur mittlerweile wichtigsten Freizeitbeschäftigung sowie zum kräftigsten Antriebsmotor für die meisten heutzutage errichteten Bauwerke. Fast 80 Prozent der Neubauten, so der kühl-analytische Holländer, hätten irgend etwas mit dem Wirtschaftsfaktor Einkaufen zu tun.

Mit anderen Worten, breite Teile der Bauwirtschaft bedienen sich gewissermaßen des Shoppingtrends. Doch wie sie das tun und in welchen Qualitäten für die Shopper produziert wird, ist eine Frage der Bauherrenkultur, und nicht der Shop-Größe.

Hans Holleins berühmter Kerzenladen in der Wiener Innenstadt wies zwar lediglich einige wenige Quadratmeter Verkaufsfläche auf, wurde aber dennoch mit den wichtigsten internationalen Architekturpreisen ausgezeichnet und ist bis heute weltweit bekannt.

Eine ähnlich liebevolle Hingabe in Sachen Gestaltung wäre im Falle der großen Shoppingzentren der Stadtränder schon allein in städtebaulicher Hinsicht wünschenswert, findet aber gewöhnlich nicht einmal in Ansätzen statt. Gebaut wird schnell und billig und ausgesprochen hässlich, was Stadtbauvisionen und Zukunftsdenken anbelangt, kurzsichtig. Das Fertiggestellte muss meist nach kurzer Zeit adaptiert und umgebaut werden, Erweiterungsbauten und Altbestände kleben konglomeratartig aneinander, die Orientierbarkeit leidet, von ästhetischen Gesamteindrücken ganz zu schweigen.

Dennoch versuchen auch große Betreiber immer öfter, architektonische Qualitäten zur Anwendung zu bringen. Noch sind die allerdings die suchenswerte Ausnahme. Ein solches Projekt, das groß und tadellos ist, steht zum Beispiel in Form eines Mega-Baumaxx in Schwechat direkt an einer Straßenkreuzung. Die Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck haben das elegante Haus geplant und umgesetzt, und in Kenntnis der üblichen Baumarkt-Fertighallen, die ohne Charisma die Verwechselbarkeit des Einkaufens zwischen San Francisco und Singapur predigen, hat diese Baumarkt-Halle mit ihrer flotten Fassade und dem stimmigen Innenleben unverwechselbare Qualitäten.


Unverwechselbarkeit

Mit diesem Wort - der Unverwechselbarkeit - mag der Schlüssel zum Thema bereit liegen. Wer durch die dicken, übervölkerten und ewig gleichen Shoppingmallsuppen dieser Welt geschwommen ist, dem mag langsam der Geschmack daran vergehen. Die großen Standard-Mall-Konzepte, die nichts anderes bieten als überdachte Einkaufsstraßen mit Menschen- statt Autoverkehrslärm, scheinen sich zwar noch nicht zu überleben, doch raffinierter gemachte Laden-Viertel, in denen die einzelnen Geschäfte mehr Profil entwickeln dürfen, machen international doch da und dort Furore.

Die Trendsetter bleiben derweilen die Kleinen, die Boutiquen. Der erwähnte Rem Koolhaas hat mit seinen Prada-Geschäften in den USA die wohl teuersten Shopping-quadratmeter der Welt gebaut, dabei das Konzept Einkaufen mit Freizeit und Kultur vermischt und weitergedreht. Auch in den städtischen Einkaufsstraßen entstehen laufend gute, kleinere bis mittelgroße Lokale, die Aufsehen erregen. Das neueste Beispiel findet sich mit einem raffinierten und soeben eröffneten Uhrmachergeschäft von Eichinger oder Knechtl in der Wiener Wollzeile. Adolf Loos hätte hier seine Thesen bestätigt gefunden.

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