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Das substanzielle Wesen der Dinge und des Designs
Der Standard

Die Wiener Architektin und Designerin Elsa Prochazka versucht ihren Studenten der Kunstuni Linz, Design als eine neue, freie und zukunfts- trächtige Disziplin zu vermitteln

14. Juni 2002 - Ute Woltron
Seit knapp einem Jahr unterrichtet die Wiener Architektin Elsa Prochazka an der Kunstuniversität Linz Raum- und Designstrategien, und ihre etwa 40 Studenten haben derweilen bereits einige interessante räumliche und designerische Interventionen angestellt. Zuletzt fand eine Licht-Ton-Installation der Linzer neben dem Künstlerhaus rege Beachtung in der Bundeshauptstadt.

Für Prochazka soll die Klasse, die sie nunmehr leitet, „keine Architekturklasse im klassischen Sinn sein.“ Die Wienerin findet es vielmehr „reizvoll, jenen Grenzbereich zwischen Kunst, Design und Architektur zu überschreiten und sich verstärkt dem virtuellen Raum zu widmen, der sich dem klassischen Architekturbegriff entzieht, der nicht bewältigbar ist, wenn er nicht philosophisch und theoretisch neu eingekreist wird.“

Elsa Prochazka scheint geradezu prädestiniert, junge hungrige Leute zum Denken und Designen anzuregen, zum Philosophieren und Ideenknüpfen. Kaum jemand in der Architektur- und Designbranche argumentiert schärfer, präziser und unbarmherziger als sie.

Wie definiert man also als Formgeberin im weitesten Sinne den Begriff Design? Prochazka: „Design ist auf keinen Fall eine ästhetische und formale Frage, wir versuchen vielmehr dem substanziellen Wesen der Dinge und Gedanken auf den Grund zu gehen. Das geht bis zur Hinterfragung der Wesenhaftigkeit des Menschen, des designten Körpers, der gentechnologischen Umformung, der Konstruktion eines Menschenbildes, das in der Mythologie beginnt. Dabei erkennt man rasch, wie man von diesem vorhin angesprochenen formalen Ansatz wegkommt, und zu diesen Gedankengängen versuche ich die Studenten zu animieren.“

Was nunmehr die Prochazkasche Klasse namens „Raum und Objekt“ ist (auf den genauen Titel konnte man sich noch nicht letztgültig einigen, was zur Schärfung des Designbegreifens dazugehört), war vorher die Metallklasse von Helmuth Gsöllpointner. Das trifft sich insofern gut, als Prochazka dem Material einen besonderen Stellenwert einräumt. Die vorhin erläuterten „abstrakten Gedankenmuster“ sollen einen „Bezug zur Materialwahl“ darstellen, da, so die Professorin, in den Zeiten der digitalen Superdarstellungsmöglichkeiten „der Prozess des Umsetzens im Allgemeinen sehr vernachlässigt wird.“

Tatsächlich. Dieser Trend ist selbstverständlich auch in der Architektur ablesbar. Renderings ersetzen Fotos, Projekte ersetzen die Wirklichkeit. Wird jedoch ein Entwurf von der abstrakt-digitalen Ebene in die Realität geworfen, also umgesetzt, so verliert er oft diesen Digitalreiz, und die interessantesten Digi-Bildchen erweisen sich in 3D als platt und unflott. In der Ex-Metall-Klasse soll also materialmäßig ausgeweitet und intensiviert werden, wobei, so Prochazka, das innovative Grundklima, das in der Technologie-und Neue-Medien-Stadt Linz herrsche, der Sache sehr zupass komme.

Doch noch einmal zurück zum Digitalen und seinen Auswirkungen. Prochazka: „Was den Virtuellen Raum anbelangt, so ist die erste Phase der Euphorie abgeschlossen, sie hat das Empfinden und das Wahrnehmen stark verändert, was wiederum Auswirkungen auf die Generierung der reellen Welt hat. Dieser Slashback wird in der Zukunft sehr interessant werden.“

Bleibt freilich auch die Frage, für welchen Beruf die Studenten in Linz letztendlich ausgebildet werden? Das, so meint Elsa Prochazka, sei die spannendste Frage überhaupt und gar nicht so leicht zu beantworten. Denn neue Berufsbilder würden sich herausbilden, und ihre Studenten „fit zu machen für diese in Entstehung begriffenen neuen Berufe“, dafür würde sie gerne antreten. Der Begriff des Designers sei mittlerweile dermaßen diversifiziert, dass man ihn wieder ein wenig straffen und konzentrieren müsse. „Ich verstehe den Begriff Design jedenfalls stark als Raumbegriff, auch im privaten, virtuellen, soziologischen Raum, und weniger in Zusammenhang mit Löffeln und Gabeln. Obwohl ich mich nun schon seit über zwanzig Jahren damit intensiv auseinandersetze, habe ich nie eine enge, pragmatische Begrifflichkeit entwickelt.“ Und das ist wahrscheinlich genau ihre Stärke.

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