Artikel

Die Zukunft ist das Neue
Der Standard

Eine Lehre der Strategie für Architekten gibt es ab Herbst an der Angewandten

25. Juni 2005 - Ute Woltron
Architektur zu planen ist eines, die schönen Pläne auch in die Realität umzusetzen ein ganz anderes: Viel zu oft zerbröseln prämierte Entwürfe im unbarmherzigen Getriebe des bauwirtschaftlichen Geschehens - und da die Hoffnung auf Barmherzigkeit ein frommer Wunsch bleiben wird, müssen die Architektinnen und Architekten künftig fit gemacht werden für den Turbo-Schleudergang, den jede Realisierungsphase darstellt.

Die Situation der Planer ist letztlich grotesk, und das Spiel läuft stets nach demselben Schema ab: Nehmen wir einen großen, internationalen Wettbewerb her. Ab dem Moment, in dem der Bauherr die Pläne auf seinem Tisch zur gefälligen Betrachtung ausbreitet, beginnen normalerweise auch Umplanungs- und Einsparungsüberlegungen einzusetzen. Da das Geschäft der Architektur mittlerweile ein außerordentlich diversifiziertes ist, liegen selbstverständlich auch detaillierte Kostenschätzungen neben den Entwürfen.

Das Vertrauen in kommerzielle Berechnungen von Architekten ist traditionell äußerst bescheiden - oft ist das Misstrauen unberechtigt, aber so manches schwarze Schaf hat diese Weide in der Vergangenheit zertrampelt und Bauherren nachgerade in den Abgrund getrieben. Deshalb werden sicherheitshalber unabhängige Gutachter eingesetzt, die das gesamte Bauvorhaben nochmals durchrechnen - gegen ordentliche Honorare, versteht sich, was auch völlig in Ordnung ist.

Ab dann laufen, sagen wir, „informelle Gespräche“ der großen ausführenden Unternehmen im Hintergrund. Angebote trudeln ein, die liegen meistens erstaunlich weit über den Kostenrechnungen - und die Architekten strichlieren und planen im Akkord und im Dienste der Einsparungen um. Denn sie sind vertraglich mit der Erreichung des Kostenziels gegängelt, weshalb die oft monatelang von vielen Mitarbeitern durchgeführten Umplanungen im Honorar nicht enthalten, also gratis sind.

Tatsächlich arbeiten die Architekten dabei nicht selten vor allem der internationalen Bauindustrie zu. Denn die sich schließlich ergebende Differenz bleibt, um es ganz vorsichtig auszudrücken, gewöhnlich nicht allein im Säckel des Auftraggebers. Kurzum: Der Architekten unentgeltliche Mehrleistung spart den einen Geld und beliefert die anderen zugleich damit.

Obwohl es äußerst schwierig ist, dergleichen Absprachen nachzuweisen, laufen auf europäischer Ebene gerade die ersten Prozesse an. Es wäre wundervoll, an dieser Stelle konkrete Beispiele anführen zu können, doch über laufende Verfahren darf nicht berichtet werden - und die Angst der Architekten ist groß.

Sie wissen, dass sie das schwächste Rädchen im Getriebe sind und dass allein der durch unwirsches Fingerschnippen eines Investors ausgelöste Luftzug so manchen in den Konkurs wehen könnte. Es sind ja schon ganz andere Kaliber diesen bösen Weg gegangen, denken sie: Leute wie Rem Koolhaas zum Beispiel, oder Frank Gehry.

Geht man davon aus, dass gute Architektur Grundlage für Lebens- und Arbeitsqualität ist, somit direkt unser aller Leben beeinflusst, und dass die (verantwortungsvollen) Architektinnen und Architekten auch noch diesem Auftrag nachzuhinken versuchen, kann dieser Zustand also als sehr ärgerlich bezeichnet werden.

Leute wie Gehry oder Koolhaas haben aus ihren Schlappen gelernt und ihr Geschäft auf andere kommerzielle Füße gestellt. Der eine verkauft höchst erfolgreich Software für Architekten, der andere beliefert große Markenartikler mit Konzepten. Nebenbei machen sie gelegentlich auch noch Architektur. Die Szene ist, wie man bemerkt, durchaus weltweit in Veränderung begriffen.
Um auch die hiesigen Studentinnen und Studenten auf ihre spätere Arbeitssituation in den turbokapitalistischen Mühlen vorzubereiten, bietet die Architekturfakultät der Universität für angewandte Kunst ab kommendem Wintersemester einen über drei Semester laufenden Post-Graduate-Lehrgang mit Titel „Urban Strategies“ an.

Die Riege derer, die in Wien Erfahrungsberichte vortragen werden, ist prominent: Neben dem letzten Pritzker-Preisträger Thom Mayne (USA) kommen des Weiteren Eric Owen Moss (USA), Jeffrey Kipnis (USA), Charles Correa (Indien), Mario Coyula-Cowley (Kuba), Patrik Schumacher (Großbritannien), Bart Lootsma (Holland) und Raimund Abraham (mittlerweile USA). Zugelassen sind Absolventen der Studienrichtungen Architektur, Landschaftsarchitektur und Design. Eine Bewerbung kann noch bis 13. August erfolgen, die Kosten betragen 5000 Euro pro Semester.

Angewandte-Architektur-Vorstand Wolf Prix (Coop Himmelb(l)au): „Wir wollen Architekten so ausbilden, dass sie auch in Zukunft noch als Architekten arbeiten können. Das Rollenbild ändert sich. Architekten müssen als Strategen ausgebildet werden, sie müssen sich erst darüber klar werden, was sie erreichen wollen, und dann lernen, wie sie ihre Pläne auch tatsächlich realisieren und umsetzen können.“

Zitat aus dem inhaltlichen Konzept des neuen Post-Graduate-Lehrgangs: „Die Stadt ist wesentliches Handlungsfeld gegenwärtiger Architekturproduktion. Strategien meint eine Synthese aus Forschung, Entwurf und Intervention. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Untersuchung gewohnter Verhaltensmuster, und auch die Reflexion der eigenen Position soll es möglich machen, die vielfältigen Interessen und Kräfte des urbanen Feldes in ihrer ökonomischen, technologischen und organisatorischen Bestimmtheit für die Projektarbeit fruchtbar zu machen.“ Das Ziel heißt: „Anleitung zur Selbstständigkeit durch eine offen geführte Auseinandersetzung mit Zielen und Methoden, die prinzipiell alles zur Diskussion stellt: Rollenbilder und Handlungsmuster, Wertehierarchien und Entscheidungsstrukturen, ebenso wie neue Geometrien und Figuren.“

Mit einer weiteren Vortragsreihe externer Spezialisten ist die Angewandte unter dem Titel „Architektur und Politik“ auf diesem Gebiet bereits seit Kurzem aktiv. Gelegentlich aufflackernde Vorwürfe, Prix würde der Architekturschule den „Dekonstruktivismus-Stempel“ aufdrücken, empfindet er als „amüsant“: „Diese Kritiker, die glauben, die Architekturprofessoren der Angewandten würden alle die gleiche Schiene fahren, sind mit Blindheit geschlagen.“

Wie es mit Strategieplänen etwaiger Zusammenlegung der Architekturschulen von Angewandter und der Universität der bildenden Künste ausschaut, wird am Dienstag bekannt gegeben.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: