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Zweckmässig wie Fabriken
Neue Zürcher Zeitung

Wohnhäuser aus der Zeit des Neuen Bauens in Riehen

4. Juli 2005 - Hubertus Adam
Das Haus Hodel, am Trassee der Wiesentalbahn in Riehen bei Basel gelegen, wirkt mit seinem Satteldach und den Fensterläden auf den ersten Blick konventionell. Doch der 1918 unter Karl Moser an der ETH Zürich diplomierte Architekt Hans Schmidt wagte 1924 mit seinem ersten eigenen Bauwerk einen Schritt Richtung Industrialisierung des Bauens, indem er vorfabrizierte Betonrahmenprofile für Fenster und Türen verwendete. Nachdem Schmidt 1926 gemeinsam mit seinem Büropartner Paul Artaria bei einem Atelierhaus für den Maler Willi Wenk mit einer Holzkonstruktion experimentiert hatte, entstand mit dem Haus Colnaghi im Jahr darauf das erste Stahlskelett-Wohnhaus der Schweiz.

Bei diesem baugeschichtlichen Meilenstein gaben die Masse der handelsüblichen Bimsbetonplatten die Dimensionen vor, hatte doch Schmidt schon zuvor postuliert: «Wir bauen streng von innen nach aussen, wir kümmern uns nicht um das, was üblich ist oder was gefällig ist, wir bauen rein zweckmässig, so wie man eine Fabrik bauen würde.» Operierten die Architekten beim Haus Colnaghi noch mit einer kubischen Durchdringung verschiedener Volumina, die von De Stijl inspiriert war, so gelang es ihnen mit dem Haus Schaeffer (1927/28), die formale Reduktion weiter voranzutreiben. Über den grosszügigen Wohnbereich des Erdgeschosses ist im rechten Winkel die boxartige Sequenz der Schlafzimmer im Obergeschoss gelegt, die brückenartig auskragt. Artaria und Schmidt realisierten das Gebäude als Prototypen für eine Reihenhaussiedlung und präsentierten es 1929 auf dem Frankfurter CIAM-Kongress «Wohnen für das Existenzminimum».

Die Bauten von Artaria und Schmidt sind herausragende Beispiele für das Neue Bauen in Riehen - und weit darüber hinaus. Eine Ausstellung im KunstRaumRiehen, von der Gemeinde Riehen und dem Basler Heimatschutz gemeinsam konzipiert, stellt anhand von Plänen, Fotos und einigen Möbelstücken zwanzig bemerkenswerte Projekte vor. Die Sequenz beginnt mit dem Haus Schmidt- Schröder von Paul Artaria (1922), und sie endet mit Hans Schmidts Siedlung «Im Höfli» (1954), welche mit heimischen Elementen die zeittypische Abkehr von der Ästhetik des Neuen Bauens dokumentiert. Interessant sind die unterschiedlichen Facetten des Neuen Bauens, die man anschliessend auf einem Rundgang durch Riehen erleben kann: Dem sozialistisch gefärbten Verständnis, wie es sich im Haus Schaeffer von Artaria und Schmidt äusserte, antworteten Otto und Walter Senn mit einer grossbürgerlichen Villa in der Formensprache des Neuen Bauens (1934). Unter den verschiedenen Atelierhäusern sticht besonders das Haus Sandreuter von Rudolf und Flora Steiger-Crawford hervor - ein leicht expressionistisch anmutendes Gebäude mit Pultdach. Die hybride Konstruktion aus Beton, Mauerwerk und Holzriegelwerk galt Sigfried Giedion als das «erste konsequent formulierte Haus des Neuen Bauens auf Schweizer Boden».

[ Bis 31. Juli. Ein Faltblatt, das die 20 Gebäude vorstellt, ist gratis erhältlich (www.heimatschutz.ch). ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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