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Wallfahrtsort für Architekturfreunde
Neue Zürcher Zeitung

Madrid lockt mit einem Design-Hotel der Superklasse

Vor wenigen Tagen konnte in Madrid das Design-Hotel «Puerta América» eröffnet werden. Insgesamt neunzehn bekannte Architekten und Designer gestalteten die Bars, Restaurants und Zimmer des zwölfgeschossigen Gebäudes. Dabei wurde die baukünstlerische Kreativität ganz gezielt in den Dienst von Werbung und Marketing gestellt.

17. August 2005 - Klaus Englert
Der Weg zu Madrids «Puerta América», einem Design-Hotel der Superlative, führt mitten in die Unwirtlichkeit der Grossstadt. Das Auge hat sich schnell an die urbanistische Einöde rund um die lärmige Avenida de América und die verwahrlosten Torres Blancas von Saénz de Oíza gewöhnt, die einst einen Meilenstein der spanischen Moderne darstellten. Beim Passieren dieser organisch gewundenen Wohntürme entdeckt man plötzlich eine architektonisch nicht besonders anspruchsvolle, dafür aber umso bizarrer gestaltete Hochhausscheibe, über deren Fensteröffnungen orangefarbene Markisen wie Wimpern kleben. Die Markisen - so wollte es der französische Architekt Jean Nouvel - sind der Blickfang des 12-geschossigen Hotels «Puerta América». Sie wurden angebracht, um in allen möglichen Sprachen die Freiheit zu preisen. Bei einem Fünfsternehotel mag dies überraschen. Aber das Etablissement sollte nun einmal in jeglicher Hinsicht aussergewöhnlich sein. So aussergewöhnlich wie die Vermählung von Architektur und Poesie. Deshalb liess Nouvel Fragmente von Paul Eluards Gedicht «Liberté», geschrieben in krakeliger Kinderschrift, auf die Markisen drucken. Vom antifaschistischen Freiheitsdrang des französischen Dichters blieb dabei nur noch eine blasse Marketingidee übrig - ein babylonisches Verwirrspiel von sprachlichen Versatzstücken.

Ein gigantischer Werbegag

Dank Nouvel stand in den letzten Wochen die Freiheit in Madrids wirtschaftlichen Kreisen hoch im Kurs. Als Erster hob der Präsident der Hotelgruppe Silken, zu der das 75 Millionen Euro teure Hotel gehört, in metaphysische Sphären ab, als er die Architekten lobte, die das neue Haus in eine «Hommage an die Freiheit, an die Verbindung der Völker, Kulturen und Religionen» verwandelt hätten. In den Chor der Preisungen reihte sich sodann die Direktorin der spanischen Kunstmesse Arco ein mit dem Refrain: «Das Hotel ist ein Symbol kreativer Freiheit und ein Schmelztiegel der Kulturen.» Wie gut die Marketingstrategie läuft, zeigt sich daran, dass selbst die Politiker mitspielten. Im Beisein der Architekten Nouvel, Arata Isozaki, David Chipperfield und anderen «estrellas» der internationalen Architektenszene verkündete Bürgermeister Alberto Ruiz-Gallardón, durch das prestigeträchtige «Puerta América» habe Madrid den Titel «Welthauptstadt der Architektur» verdient.

Die Anregung zum Bau des «Puerta América» lieferte offenbar der New Yorker Hotel-Tycoon Ian Schrager, der vor fünf Jahren Herzog & de Meuron zusammen mit Rem Koolhaas zu einem aussergewöhnlichen, aber schliesslich doch nicht ausgeführten Hotelprojekt in Manhattan animiert hatte. Von einer Wiederbelebung der Idee von Schrager kann aber in Madrid nicht die Rede sein. Denn die beiden Pritzker-Preisträger sind diesmal nicht dabei. Doch die Silken-Manager haben aus der Not eine Tugend gemacht und flugs mit Norman Foster und Zaha Hadid zwei andere Pritzker-Preisträger eingespannt, dazu siebzehn weitere Stars und Sternchen, die fortan wie Kometen am Madrider Himmel leuchten sollen. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen. Offensichtlich glaubt man an Donald Trumps Motto: «Trendige Hotels, von renommierten Architekten entworfen, vermarkten sich besser.» Diesen Spruch jedenfalls haben sich die Madrider Manager an die Brust geheftet. Und die vermeintlichen Stararchitekten und Stardesigner konnten gar nicht den Blick davon lassen. Ihre Aufgabe, jeweils einen Gemeinschaftsbereich oder gar ein ganzes Stockwerk nach ihren eigensten Vorstellungen zu gestalten, haben zwar einige nicht ohne Bravour gemeistert. Eher unter den Erwartungen blieben die Beiträge von Chipperfield, Foster, Hadid, Isozaki und Nouvel, die zu den gefragtesten ausländischen Architekten in Spanien zählen.

Zwischen Barock und Minimalismus

Als einen der Lichtblicke im Potpourri des internationalen Staraufgebots darf man die Arbeit des britischen Minimalisten John Pawson bezeichnen. Ihm gelang im Foyer mit geschwungenen, perforierten Holzwänden und einem meditativ anmutenden Wasserlauf eine klare Raumaufteilung von nahezu buddhistischer Einfachheit und Strenge. Der australische Designer Marc Newson nutzte die Raumflucht der angrenzenden Bar, indem er in eine Nische eine acht Meter lange Theke stellte, die aus einem sechs Tonnen schweren Block weissen Carrara-Marmors besteht und - will man der Anekdote glauben - vor dem Bau der Fassade installiert werden musste. Wie aber schnitten die umworbenen Stars ab? Zaha Hadid schuf fürs Vestibül futuristisch kantige Lampen und blieb sonst ihrem barocken Hang zu verspielten Formen treu. In den von ihr gestalteten Zimmern liess sie märchenhaft organische Gebilde aus weissen Acrylbauteilen kreieren. Amerikanische Gäste werden dabei wohl an Disneyland denken. Nur die spanische Putzfrau, die eigens aufs Waschbecken klettern muss, um den Spiegel zu reinigen, dürfte weniger vergnügliche Assoziationen haben.

Foster setzte einmal mehr auf erlesene Materialien, gediegene Formen und technologische Zitate, Chipperfield wählte luxuriöse Stoffe und klare Raumkonzepte, während Isozaki die japanische Karte spielte und seine Hotelzimmer in formenstrenge «black boxes» verwandelte. Auch wenn die von Isozaki ausgewählten Materialien beeindrucken, dürften seine Dunkelkammern wohl nur während des sonnigen Madrider Sommers zu ertragen sein. Fast klaustrophobische, an den Expressionismus von Schwitters Merzbau erinnernde Räume aus kaltem rostfreiem Stahl schufen Holger Kehne und Eva Castro vom Londoner «Plasmastudio». In ihren Zimmern dürfte einem der Schlummer schwer fallen.

Schon ein kurzer Rundgang durch das Haus macht deutlich, dass in Madrid die Gattung Luxushotel, die einst durch Eleganz zu überzeugen suchte, mit dem «Puerta América» zum Sinnbild kakophonischer Dissonanzen geworden ist. Hier scheint gestalterisch alles erlaubt zu sein, sofern es nur von einem der Grossen der Architektenzunft stammt. Diese Art von Publicity wirkt im harten Kampf um die Hotelgäste ganz offensichtlich.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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