Artikel

Vergessene Architektur und Postkarten
ORF.at

Dem Architekten Ernst Epstein, Bauleiter des berühmten Looshauses auf dem Michaelerplatz in Wien, und einer Postkartensammlung widmet das Jüdische Museum Wien zwei Ausstellungen.

3. Juli 2002
Kaum ein Architekt hat im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts in Wien soviel gebaut wie Ernst Epstein. Zwischen 1906 und 1938 hat er in ganz Wien rund 100 Bauten, zumeist noble Wohn- und Geschäftshäuser, sowie Villen und Industriebauten, geschaffen. Einige stehen in enger Nachfolge von Adolf Loos.
Bis zum 29. September wird eine umfassende Dokumentation über das Werk von Ernst Epstein gezeigt.


Vom Bauen

Epstein habe „anonyme Architektur geschaffen, jeder kennt zwar die Gebäude in der Stadt, jeder findet, dass sie ein untrennbarer Bestandteil dieser Stadt sind, aber keiner weiß, wer für die Architektur verantwortlich zeichnet“, erklärte der Direktor des Jüdischen Museums, Karl-Albrecht Weinberger.

Die zum Großteil gut erhaltenen Bauwerke Epsteins, welche über ein Vierteljahrhundert Wiener Architekturgeschichte dokumentieren, belegen die Orientierung des Architekten am Barock, Klassizismus und Biedermeier.


Schwierige Forschungslage

Vom Bürohaus Krügers Söhne in der Seidengasse, über das Miethaus Allianz und Giselaverein Versicherungs-AG in der Traungasse im dritten Bezirk bis hin zu zahlreichen Villen in der Wiener Cottage: Rund 100 Wiener Bauten, errichtet in den Jahren zwischen 1906 und 1938 weist die Werkliste von Ernst Epstein auf.

Schwierig waren die Recherchearbeiten für die beiden Kuratoren die Kunsthistorikerin Sabine Höller und Markus Kristian, da sämtliche Unterlagen aus dem Atelier Epsteins verloren gegangen sind und von Ernst Epstein selbst kaum Publikationen vorliegen.


Tragischer Tod

Epstein, 1881 in Wien geboren, besuchte die bautechnische Abteilung der Staatsgewerbeschule und erlangte 1906 die Baumeisterkonzession. 1939 verübte er aus Angst vor der Verhaftung durch die Gestapo Selbstmord.


Historische Postkarten

Zeitgleich mit der Architekturausstellung zeigt das Jüdische Museum die „Welt der jüdischen Postkarten“. Die Anfänge der Postkarte als einfach zu handhabendes Kommunikationsmedium gehen auf den deutschen Generalpostmeister Heinrich von Stephan zurück. Dessen Idee der unkuvertierten Nachrichten wurde 1869 von dem Wiener Nationalökonom Emanuel Hermann übernommen, auf dessen Initiative die „Corespondenzkarte“ von der österreichischen Postverwaltung zum halben Tarif befördert wurde. In den ersten Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg erlebte sie einen ungeheuren Zuspruch.


Hinter Plastik

Die vom Jüdischen Museum Franken in Fürth stammende Schau verzichtet auf die Präsentation originaler Postkarten. Stattdessen kann man die Karten in sogenannten „Plastiskopen“ betrachten. Diese kleinen, TV-Geräten nachempfundenen Miniatur-Dia-Betrachter, kann man üblicherweise in Souveniergeschäften zur Betrachtung vorfabrizierter Urlaubsidyllen erwerben.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: