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Feuer und Blumen
Neue Zürcher Zeitung

Wieder aufblühende Gärten in Wörlitz und Bad Muskau

Das Dessauer Gartenreich und die Parkanlagen von Hermann Ludwig Heinrich Graf Pückler in Bad Muskau und Branitz zählen zu den wichtigsten Landschaftsarchitekturen im Osten Deutschlands. Ihre Erforschung und Wiederherstellung macht Fortschritte.

1. Oktober 2005 - Hubertus Adam
Der Wörlitzer Park bei Dessau, mit dessen Realisierung Fürst Leopold III. von Anhalt-Dessau 1764 begann, gilt als einer der frühesten Landschaftsparks nach englischem Vorbild auf dem Kontinent und ist als Unesco-Weltkulturerbe eingestuft. Mit dem neopalladianischen Schloss, den gut erhaltenen Parkarchitekturen und der reichen künstlerischen Ausstattung stellt er ein einmaliges Gesamtkunstwerk aus der Zeit der Aufklärung dar: Eindrücke der England- und Italienreisen, die der Fürst und sein Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff gemeinsam unternommen hatten, verbanden sich mit der Vorstellung von einem natürlichen Leben, wie Rousseau es propagierte. Der Park, der einen Altarm der Elbe als Wasserfläche einbezieht, wurde mehrfach erweitert; mit den «Neuen Anlagen» (1788-94) fanden die Arbeiten ihren Abschluss.

Neapolitanisches Pasticcio

Die wohl bizarrste Schöpfung von Erdmannsdorff stellt eine unter dem Namen «Stein» bekannte, mitten im Wasser gelegene künstliche Vulkaninsel im letztgeschaffenen Parkbereich dar. Der Fürst und seine Frau hatten auf ihren Reisen einen Vesuvausbruch erlebt, und der Architekt errichtete für sie gleichsam ein dreidimensionales Erinnerungsbild - einen 17 Meter hohen Steinvulkan, der mit Hilfe von Feuerwerk und rötlich beleuchtetem, Magma vortäuschendem Wasser zum Ausbruch gebracht werden konnte. Doch der Wörlitzer Vulkan war nicht nur die Ausgeburt eines Fürstenspleens, sondern reflektierte den Wissenschaftsdisput seiner Zeit. Mit seiner opulent illustrierten Publikation «Campi Phlegraei» hatte William Hamilton, englischer Gesandter am neapolitanischen Hof und überdies passionierter Antikensammler, 1776 eine vielgelesene vulkanologische Abhandlung verfasst. Unumstritten war Hamiltons These eines vulkanischen Entstehens der Welt nicht - Goethe, der den Vesuv ebenfalls mehrfach bestiegen hatte, folgte im Gegensatz zu den Vulkanisten der Lehrmeinung der Neptunisten, die den Ursprung der Gesteine auf Kristallisation aus dem Urmeer zurückführten.

Erdmannsdorff schuf mit seiner Insel ein neapolitanisches Pasticcio. Auf engstem Raum finden sich ein künstlicher Vulkan, eine nachgebildete Grottenlandschaft, ein verfallenes Amphitheater und eine Kopie von Hamiltons «Villa Emma». Jahrelang war der «Stein» verfallen, nun ist er wieder zugänglich. Dank einer gemeinsamen Initiative von Bund, Land und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnte das Ensemble restauriert werden. Zur Wiedereinweihung erlebte der Vulkan seine erste Zündung seit langem - aus Kostengründen dürfte das aufwendige Spektakel auch in Zukunft Seltenheitswert besitzen.

Reise nach England

Neben dem Dessauer Gartenreich zählen die Anlagen des Fürsten Pückler - auch sie haben 2004 den Status des Weltkulturerbes erlangt - zu den wichtigsten Parkanlagen im Osten Deutschlands. Von einer ausgedehnten Englandreise zurückgekehrt, hatte Hermann Ludwig Heinrich Graf Pückler, seit 1811 Standesherr von Muskau in der Oberlausitz, mit der Planung eines Landschaftsparks um seinen Wohnsitz begonnen. Durch Grundstückskäufe konnte die ausgedehnte Besitzung westlich und östlich der Lausitzer Neisse arrondiert werden, die Arbeiten begannen mit der Modellierung des in Terrassen zum Fluss hin abfallenden Terrains und der Anlage des Wegenetzes; für die Entwürfe der Parkbauten und des Schlossumbaus konnte Karl Friedrich Schinkel gewonnen werden. Das nahezu herkulische Vorhaben indes überforderte den 1822 in den Fürstenstand erhobenen Pückler, und auch das 1823 eingerichtete Kurbad und das Alaunbergwerk konnten das finanzielle Desaster nicht aufhalten. Formell liess sich Pückler 1826 von seiner Frau Lucie scheiden und reiste nach Grossbritannien - mit dem Ziel, eine reiche Engländerin zu heiraten. Die dreijährige Reise verfehlte indes den Zweck. Die Reisebriefe jedoch, die der Fürst an Lucie schrieb, wurden - von Karl August Varnhagen redigiert - 1830 und 1832 als «Briefe eines Verstorbenen» publiziert. Sie begründeten den Erfolg Pücklers als Reiseschriftsteller.

Unter dem Titel «Englandsouvenirs» ist nun in Bad Muskau sowie in Branitz, dem zweiten Park Pücklers, eine umfangreiche Ausstellung zu sehen, welche der Englandreise des Fürsten gewidmet ist. Der Ausstellungsteil, der im Marstall und im Neuen Schloss von Muskau gezeigt wird, widmet sich Pücklers Wahrnehmung von England. Nahezu rastlos reiste er durch das Land, besuchte Landschaftsparks und nahm an gesellschaftlichen Ereignissen teil. Dabei verschloss er sein Auge weder vor sozialen Problemen noch vor zeitgenössischen technischen Errungenschaften - begeistert etwa berichtete Pückler von Brunels in Ausführung befindlichem Londoner Themse- Tunnel zwischen Wapping und Rotherhithe.

Für das eigene Vorhaben in Bad Muskau war die Reise mit ihrem «park-hunting» von zentraler Bedeutung. Insbesondere sah sich Pückler in seinem weitgehenden Verzicht auf Staffagearchitekturen bestätigt; mehrfach konsultierte er John Nash - wenn er auch dessen bizarren Royal Pavilion in Brighton als «Werk eines Tollhäuslers» kritisierte. Von Humphry Repton entlehnte er die Idee, die Umgebung des Neuen Schlosses mit ornamentalen Blumenbeeten in Form von Füllhorn, Halbkreis und Rosetten zu schmücken.

Wiederherstellungsarbeiten

Durch Rohre aus Stahl wird die Lage der Blumenbeete seit jüngstem auf den Rasenflächen angedeutet. Rekonstruieren lassen sie sich indes kaum, da das Schloss nach dem Verkauf von Pücklers Muskauer Besitzungen 1845 mehrfach umgebaut wurde. Massgeblich für die 1992 begonnene, inzwischen weit vorangeschrittene Rekonstruktion des 1945 ausgebrannten Gebäudes ist der letzte, baulich erweiterte Zustand.

Die Neisse trennt den kleineren westlichen vom grösseren östlichen Teil des Parks, der sich auf polnischem Territorium befindet. Nach Zerstörung der Brücken waren die beiden Parkhälften zur Zeit der DDR getrennt und nur über einen Umweg von 100 Kilometern zu erreichen. Mit der 2003 eröffneten Doppelbrücke über die Neisse ist die Anlage endlich wieder als Gesamtheit erfahrbar, und nach Jahrzehnten der Verwilderung beschäftigt sich die polnische Denkmalpflege intensiv mit dem östlichen, stärker landschaftlich geprägten Parkteil. Das betrifft insbesondere die Wiederherstellung der Sichtachsen und des historischen Wegsystems.

Nachdem sich Pückler von der hochverschuldeten Standesherrschaft Muskau getrennt hatte, begann er in Branitz bei Cottbus mit der Anlage eines neuen Parks. Im Marstall des Schlosses ist zurzeit der zweite Teil der «Englandsouvenirs» zu sehen. Während man in Muskau auf Inszenierung setzt (etwa mit der Ausstellungsarchitektur des Iren Ruairí O'Brien), zeigt sich die stärker mit Originalen ausgestattete Präsentation in Muskau eher klassisch. Zu den herausragenden Exponaten in Branitz zählen die grossformatigen Alben, in die Pückler seine Englandsouvenirs einklebte. Die originalen Reisebriefe, während des Zweiten Weltkriegs nach Schlesien ausgelagert und später verschollen, wurden vor wenigen Jahren in der Jagellonischen Bibliothek in Krakau wiederentdeckt.

[ Die Ausstellungen in Branitz und Muskau dauern bis zum 30. Oktober; ein Katalog ist in Vorbereitung. ]

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