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Mährische Wurzeln der Wiener Architektur
Neue Zürcher Zeitung

Das Geburtshaus von Josef Hoffmann in Brtnice

Nach zweijähriger Renovierung ist das Geburtshaus des Wiener Architekten Josef Hoffmann in der mährischen Kleinstadt Brtnice wiedereröffnet worden. Die Eröffnungsausstellung zeigt einen Querschnitt durch alle Tätigkeitsfelder des Universalkünstlers.

6. Oktober 2005 - Hubertus Adam
Ob Adolf Loos, Joseph Maria Olbrich oder Josef Hoffmann: Die Protagonisten der Wiener Architektur um 1900 stammten nicht aus der Metropole der Monarchie, sondern aus Böhmen und Mähren. Josef Hoffmann (1870-1956) wurde in Pirnitz, dem heutigen Brtnice, geboren, einer mährischen Kleinstadt, etwa auf halber Strecke zwischen Wien und Prag. Mit der Übersiedlung zwecks Studiums in die Hauptstadt verliess Hoffmann 1892 Mähren; doch die Landschaft seiner Herkunft blieb für ihn von Bedeutung, wie die ausführliche Schilderung der Pirnitzer Jugendjahre in der spät verfassten Autobiografie belegt.

Wiederhergestellte Innendekoration

Immer wieder wurde der Architekt selbst in Mähren tätig: So baute er das Elternhaus in Pirnitz für seine Familie und seine Schwestern um, und der Olmützer Industrielle und Bankier Otto Primavesi wurde zu einem der wichtigsten Auftraggeber. Das als Blockhaus 1913 errichtete Landhaus in Winkelsdorf kann als Beispiel für eine mährische Heimatschutzarchitektur gewertet werden; und nach dem Ersten Weltkrieg entstand neben anderen Projekten eine grosszügige Villa für Sigmund Berl in Freudenthal.

Diese tschechischen Arbeiten rücken seit einigen Jahren verstärkt ins Bewusstsein der dortigen Öffentlichkeit; bestes Beispiel dafür ist der rührige «Freundeskreis Josef Hoffmann», der sich in Brtnice konstituiert hat. Noch steht die Forschungsarbeit am Anfang. Aber das Elternhaus am Hauptplatz des Ortes ist inzwischen restauriert und nun mit der vom Museum für angewandte Kunst Wien (MAK) ausgerichteten Ausstellung «Josef Hoffmann - Ein unaufhörlicher Prozess» eröffnet worden.

Josef Hoffmanns Familie - der Vater war Bürgermeister - ist seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in Pirnitz nachweisbar. Sie zählte zum wohlhabenden deutschsprachigen Patriziat. Das zweigeschossige Doppelhaus stammt in seinen Ursprüngen aus der Zeit um 1500, wurde aber nach einem Brand um 1780 neu aufgebaut. Schlichte, zwischen Spätbarock und Klassizismus oszillierende Formen bestimmen das repräsentative Gebäude mit seinem mächtigen Walmdach. Bis 1945 war es im Besitz der Familie geblieben, dann wurde es vom Staat und später von der Gemeinde übernommen. Nach ersten Sicherungsmassnahmen in den siebziger Jahren erfolgte seit 2003 die Sanierung. Dabei versuchte man die Innenraumdekoration von Hoffmann soweit möglich zu rekonstruieren.

Mit dem Umbau (1908-1911) hatte Hoffmann abgesehen von einer Laube auf der Hofseite nicht in die Aussengestalt des Bauwerks eingegriffen, sondern sich auf die Innenräume konzentriert. Anhand von Restaurierungsbefunden, aber auch aufgrund fotografischer Dokumente aus einer Publikation von 1911 liessen sich das links in der Durchfahrt gelegene Privatzimmer des Architekten, das schlicht-elegante Treppenhaus und die Raumabfolge im Obergeschoss wiederherstellen. Weil das Mobiliar weitgehend verloren ist, konzentrierten sich die Arbeiten auf einzelne Einbauten aus Holz sowie die farbigen geometrischen Schablonenmalereien, welche den Eindruck von Tapeten hervorrufen. Für die Zukunft ist eine umfangreiche Dauerausstellung zum Schaffen von Hoffmann geplant. Genutzt werden die Räume aber auch jetzt schon: Unten werden einige von Hoffmanns Arbeiten in Mähren vorgestellt, im Obergeschoss findet man Designobjekte Hoffmanns, die heute noch oder wieder erhältlich sind. Dazu zählen Gläser von Lobmeyr, Besteck von Alessi oder Möbel von Wittmann.

Zeichnerisches Œuvre

Die Sonderausstellung des MAK zeigt aus dem umfangreichen Hoffmann-Nachlass eine Auswahl von ungefähr 100 Arbeiten, welche anhand des Mediums Zeichnung einen guten Querschnitt durch alle Tätigkeitsfelder des Universalkünstlers geben. Von den noch im Banne Otto Wagners entstandenen späthistoristischen Entwürfen spannt sich der Bogen bis hin zu Zeichnungen, die im Umfeld von Arbeiten für seine wichtigsten Auftraggeber, die Familien Wittgenstein, Stoclet und Primavesi, entstanden. Ein weiteres Originalwerk Hoffmanns findet sich im Übrigen auf dem Friedhof von Brtnice: das Grabmal, das der Künstler 1906 für seine verstorbenen Eltern errichtete.

[ Bis 30. Oktober. Kein Katalog. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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