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Neue Zürcher Zeitung

Bernd und Hilla Becher: Die Zeche Hannibal

9. Juli 2002
Noch bevor sich die Architektur- und Sozialgeschichte für ausgediente Industrieanlagen interessierte, hat das deutsche Photographen-Paar Bernd und Hilla Becher begonnen, solche Bauwerke zu photographieren. Bis heute haben sie etwa 200 Ensembles im Ruhrgebiet und in Belgien aufgenommen. Bereits in den späten fünfziger Jahren waren sie mit ihren Kameras in Bergwerken, Zechen und Fabrikhallen unterwegs. Die Motivation dafür, so vermutete Rudi Fuchs bereits 1981, kam ganz allein aus der Kunst: aus dem Interesse an der Abstraktion, aus den Vorstellungen der Minimal Art über Skulptur und räumliche Abwicklungen.

Die ersten Aufnahmen der Steinkohlezeche Hannibal in Bochum-Hofstede entstanden bereits 1957. Am 31. März 1973 wurde die Zeche stillgelegt. Wenige Tage später begannen die Bechers mit ihrer umfassenden Bildrecherche in der vielteiligen Zechenanlage, die bis Ende 1974 vollständig abgetragen und eingeebnet wurde. Das Foto-Portefeuille besteht aus 85 Schwarzweissaufnahmen. Darin geht es Bernd und Hilla Becher vor allem um Lesbarkeit und Vergleichbarkeit der architektonischen Volumen, Strukturen und Einzelteile. Das Photographen-Paar setzt in seiner Herangehensweise auf Neutralität und Zurückhaltung, klare Komposition und auf das Mittel der Typologie: Eine Gruppierung von Fördertürmen, alle in der gleichen Ansicht photographiert, wird später von einer anderen Ecke her wieder aufgenommen. Somit wird nicht eine einzige Ansicht als die vorherrschende konzipiert, nach Auffassung der Bechers hat die Photographie vielmehr in jeder Aufnahme ein klares Bild einer Sache zu vermitteln. Die Umschreitung der verschiedenen Objekte der Zeche Hannibal lieferte schliesslich ein umfangreiches Dossier, das in 19 Gruppen - Förderanlage, Türme, Sägewerk, Werkstätten, Kranbahn, Maschinenhalle, Holzschütte usw. - unterteilt ist.

Die Bilder über die Zeche Hannibal fanden schon bald ein Publikum; 1980 waren sie zum ersten Mal in Düsseldorf ausgestellt; später kaufte Rudi Fuchs die Arbeit für das Stedeljik Van Abbemuseum in Eindhoven an. Anlässlich der jüngsten Ausstellung «Bergwerke: Objekt und Beschreibung» in Köln und Amsterdam wurde die Arbeit der Bechers zur Zeche Hannibal zum ersten Mal in einem Fotoband veröffentlicht.


[Bernd und Hilla Becher: Zeche Hannibal. Verlag Schirmer/ Mosel, München 2001. 124 S., 110 Taf., 170 Abb., Fr. 98.-.]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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