Artikel

Schweizer Architekten bauen im Ausland
Neue Zürcher Zeitung

Aspekte eines ungewoehnlichen Erfolgs

13. April 1996 - Roman Hollenstein
Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Schweizer Baukunst mit Erfolgsmeldungen aus aller Welt - Neubauten, Ausstellungen, Preise und Wettbewerbserfolge - aufwarten kann. Die Schweiz ist auf dem internationalen architektonischen Parkett praesenter denn je, und zwar mit zwei unterschiedlichen Sprachen, der etablierten des Tessins und der einer neuen Einfachheit zuneigenden der Deutschschweiz. Einzig die Architekten der Romandie scheinen noch kein Gehoer zu finden.

Am Anfang des heutigen Triumphs der Schweizer Architektur stand die Proklamation der Tessiner „Tendenza“ im Jahre 1975. Architekturpilger aus Europa, Japan und den USA ueberschwemmten daraufhin das Tessin und spaeter auch Basel und Graubuenden. Doch sollte es noch Jahre dauern, bis die Objekte der Begierde den Weg ins Ausland fanden. Heute aber belegen weltweit Dutzende von Bauten und ausfuehrungsreifen Projekten das Interesse, das unserer Architektur international entgegengebracht wird.

Aufmerksamkeit des Auslnds

Das Ausland importiert aber nicht nur Schweizer Architektur, es bemueht sich in juengster Zeit auch um die theoretische Auseinandersetzung. Davon zeugen Veranstaltungen wie die Madrider Ausstellung „Ticino hoy“ (1993), die gegenwaertig durch Suedamerika tourende Tessiner Schau „Un lugar - quatro arquitectos“ und die der Deutschschweizer Szene gewidmete US-Wanderausstellung „Construction, Intention, Detail“, aber auch Sondernummern von Fachzeitschriften ueber die „Ticino School“ oder die Deutschschweizer „Essentialists“ („Architectural Review“, Januar 1991). Waehrend etwa die Deutschen, die nach dem Krieg nicht zuletzt ueber die Schweiz zurueckfanden zu den verschuetteten Wurzeln der Moderne, unsere Architektur schon lange schaetzen und gerne als Vorbild betrachten, erkannten breitere Kreise in England erst im Januar 1995 dank dem erstpraemierten Tate-Gallery-Projekt von Herzog & de Meuron, dass es bei uns mehr als nur Chalets gibt. Nach der Einweihung von Bottas Kathedrale in Evry und der grossen Retrospektive von Herzog & de Meuron im Centre Pompidou im Fruehjahr 1995 feierten auch Frankreichs Fachzeitschriften unsere Stars - und entdeckten dabei die Deutschschweizer Szene, die zuvor nur durch Einzelwerke wie die preisgekroenten Museen in Giornico und Davos von Peter Maerkli und von Gigon & Guyer bekannt war. Rueckblickend darf also 1995 als ein fuer die Rezeption unserer Architektur besonderes Jahr bezeichnet werden.

Diese Rezeption ist deshalb wichtig, weil internationale Aufmerksamkeit eine Vorbedingung fuer das Bauen im Ausland ist. Um so staerker faellt ins Gewicht, dass hierzulande die fuer das kulturelle und wirtschaftliche „Architekturmarketing“ entscheidenden Jahrbuecher und Auszeichnungen fehlen, aber auch das staatliche Engagement. Doch kommt der Schweizer Architektur zugute, dass sie dank ihrer Konstanz im 20. Jahrhundert, dank ihrer Verpflichtung auf eine puritanische Moderne und dank einer hochstehenden Wettbewerbskultur heute als Qualitaetsprodukt anerkannt ist. Man schaetzt ihre Ehrlichkeit, formale Einfachheit, materielle Bescheidenheit, Funktionalitaet und Formvollendung, auch wenn von Kritikern mitunter eine gewisse Angst vor spielerischer Phantasie ausgemacht wird.

Emigration einst und jetzt

Ein Blick auf Paris, Lille oder Berlin zeigt, dass im EU-Raum immer oefter Architekten aus verschiedenen Laendern nebeneinander taetig sind. Internationalisierung ist also nichts typisch Schweizerisches; nur ist unser Land so klein, dass frueher die begabtesten Baumeister ihre Visionen fern der Heimat realisieren mussten, weil im eigenen Land ein Zentrum der Prachtentfaltung fehlte. So schweiften die Tessiner seit dem Mittelalter nach Italien und spaeter in den gesamteuropaeischen Raum aus: Maderna und Borromini setzten Zeichen in Rom, Domenico Trezzini und Carlo Rossi in St. Petersburg, Andrea Catenazzi in Polen, Pietro Bianchi in Neapel und Gaspare Fossati in Istanbul. Selbst in unserem Jahrhundert gelangten Schweizer von Kalifornien bis Hongkong zu hohem Ansehen. Othmar Ammann bestimmte seit den dreissiger Jahren mit seinen grossen Brueckenbauten nachhaltig das Weichbild New Yorks. Auf der Ausstellung „The International Style“ im New Yorker Museum of Modern Art erstaunten 1932 zwei junge, in die USA ausgewanderte ETH-Absolventen das Publikum mit avantgardistischen Loesungen: der Genfer William Lescaze mit dem PSFS-Hochhaus in Philadelphia, dem ersten modernen Wolkenkratzer Amerikas, und der Zuercher Albert Frey mit seinem avantgardistischen Aluminiumhaus. - Einzig Le Corbusier, der sich als Dreissigjaehriger in Paris niederliess, war weiterhin in seiner Heimat taetig, auch wenn ihm die Wettbewerbe fuer den Genfer Voelkerbundspalast und die Zuercher Rentenanstalt bittere Enttaeuschungen brachten.

In die Fussstapfen dieser illustren Emigranten sind heute Bernard Tschumi, Cuno Brullmann, Max Dudler oder Remo Riva getreten. Dies, obwohl die Informations- und Medientechnologie durchaus auch eine internationale Taetigkeit von der Schweiz aus erlaubte, wie viele ihrer Kollegen beweisen. Botta etwa, fest im Tessin verwurzelt, blieb Lugano auch nach den ersten grossen Auftraegen fuer Kulturbauten in Frankreich treu: Dabei erlaubten ihm erstmals das Theater von Chambery (1987) und die Mediathek von Lyon-Villeurbanne (1988), seine Visionen von Raum und Licht einem breiteren Publikum zugaenglich zu machen. Heute hat Botta mit seiner interkontinentalen Taetigkeit sogar Alfred Roth ueberrundet, der in den fuenfziger und sechziger Jahren Schulen in St. Louis, Skopje und in Kuwait sowie 1970 die Banque Sabbag in Beirut schuf.

In der lateinischen Welt, vorab in Frankreich, konnten Botta und seine Tessiner Kollegen ihre bisher groessten Erfolge feiern. Aber auch das suedlich orientierte Maastricht mit seiner katholischen Tradition ist ihnen gewogen: Im Rahmen der Neuueberbauung des Ceramique-Areals entstehen gegenwaertig in Maastricht unter anderem eine Markthalle von Aurelio Galfetti, ein Buero- und Wohngebaeude von Botta sowie ein Wohnblock von Luigi Snozzi. Der sozial besonders engagierte Snozzi konnte seine urbanistischen Vorstellungen zuvor schon als Vordenker des Gestaltungsbeirats in das Salzburg-Projekt, eines der interessantesten staedtebaulichen Unternehmen der achtziger Jahre, einfliessen lassen - ohne dass er allerdings dort selbst gebaut haette. Vielmehr wurde Salzburg zur ersten Auslandstation der Deutschschweizer Architektur. Hier realisierten Diener & Diener aus Basel 1986-1989 mit dem Hans-Sachs-Hof eine ueberzeugende Wohnueberbauung und der Basler Michael Alder den Lehrbauhof. Die Wahlzuercher Marie-Claude Betrix und Eraldo Consolascio wiederum begeisterten 1987 OEsterreichs Kritiker mit einer Entschwefelungsanlage von fast sakraler Erscheinung und wurden anschliessend zu engen Partnern der Stadtwerke, fuer die sie 1995 ein vielbeachtetes Umspannwerk vollendeten.

Bedeutung von Wettbewerben

In Salzburg konnten 1995 Jean-Pierre Duerig und Philippe Raemi ihren ersten Bau ueberhaupt realisieren, naemlich das die lokale Tradition neu interpretierende Wohn- und Buerohaus Stoelzlpark. Schon zwei Jahre zuvor hatten die jungen Zuercher mit ihrem siegreichen Wettbewerbsprojekt fuer den neuen Campus der Universitaet von Zypern in Nikosia auf sich aufmerksam gemacht. Im letzten Sommer errangen sie und das Buero Hannes Ehrensperger, Marc Fischer und Philippe Torriani dann je einen dritten Preis im Wettbewerb fuer den Yokohama International Port Terminal. Wie wichtig offene Ausschreibungen fuer unsere wettbewerbsfreudigen Architekten und Staedteplaner sind, bewies auch die bisher groesste Ausmarchung dieser Art in den neunziger Jahren: der staedtebauliche Ideenwettbewerb „Spreebogen“ in Berlin. Dort erzielten 1993 die drei jungen Berner Nick Gartenmann, Mark Werren und Andreas Joehri den ausgezeichneten dritten Platz und ernteten mehr Lob als der siegreiche Axel Schultes. Beim Wettbewerb fuer das Souk-Viertel in Beirut befanden sich 1994 unter den 16 Finalisten nicht weniger als vier Schweizer Teams; und juengst erreichte das Badener Buero Christen, Sidler, Weber den vierter Rang im Wettbewerb fuer das Koreanische Nationalmuseum in Seoul. Doch damit nicht genug: Bis 1999 duerfte in Taiwan auf Grund einer 1995 durchgefuehrten weltweiten Ausschreibung das zwei Grossbauten fuer Parlament und Stadtregierung umfassende Taichung City Civic Center nach Plaenen des Zuercher Bueros Weber & Hofer Wirklichkeit werden.

Obwohl solche Wettbewerbsbeteiligungen von der Offenheit unserer architektonischen Elite zeugen, beschraenkt sich ihr Taetigkeitsgebiet bisher noch ueberwiegend auf das benachbarte Ausland. In OEsterreich etwa ist fuer Deutschschweizer Architekten nicht nur Salzburg attraktiv: Nach den 1992 von Herzog & de Meuron in der Donaumetropole vollendeten Wohnbauten der Siedlung Pilotengasse soll nun der Zuercher Theo Hotz sein Grossprojekt fuer den Wiener Suedbahnhof umsetzen, dieweil die Basler Meinrad Morger und Heinrich Degelo in Krems ein Managementzentrum planen. Bereits eingeweiht werden konnte im vergangenen Sommer im steirischen Murau das erste oeffentliche Werk der Zuercher Kultarchitekten Marcel Meili und Markus Peter: eine eigenwillige, zusammen mit dem Churer Ingenieur Juerg Conzett entwickelte Holzbruecke. Besonders offen gegenueber den Deutschschweizern ist gegenwaertig das fuer seine kreative Architekturszene bekannte Land Vorarlberg. Ein Wettbewerb trug Burkhalter & Sumi aus Zuerich den Auftrag fuer einen Kindergarten (1989-94) in Lustenau ein. Dort sollen demnaechst auch die Luzerner Daniel Marques & Bruno Zurkirchen und der Zuercher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast taetig werden. Und Peter Zumthor, der mit der Holzkapelle Sogn Benedetg Ende der achtziger Jahre die Architekturhitparade stuermte, baut das 1991 konzipierte Kunsthaus Bregenz: einen Glaskubus, der juengst sogar in New York Furore machte.

Deutsches Baudorado

Anders als Österreich, das erst seit kurzem als Baudorado gilt, ist Deutschland fuer Schweizer Architekten seit Jahrzehnten attraktiv. So entstanden in der Zwischenkriegszeit Salvisbergs Berliner Wohnbauten und die Schule des Gewerkschaftsbundes in Bernau von Hannes Meyer. Seit den sechziger Jahren errichtete Ernst Gisel Wohnbauten in Berlin, ein evangelisches Gemeindezentrum in Stuttgart, das neue Rathaus von Fellbach sowie 1990 das Kundenzentrum der Frankfurter Stadtwerke am Boerneplatz. Das Berner Atelier 5 wiederum, das ausser Siedlungen vor allem das Studentenwohnheim und die Mensa der Universitaet Stuttgart-Vaihingen (1970-76) realisierte, gewann juengst die Wettbewerbe fuer Wohnueberbauungen in Heilbronn und Hamburg.
Zu Beginn der neunziger Jahre markierten neben Claude Paillards nicht unumstrittenem Schauspielhaus in Hannover zwei Kulturbauten eine ganz neue Schweizer Praesenz in Deutschland: das Ausstellungsgebaeude der Koelner Galerie Gmurzynska von Diener & Diener (1990) und das Privatmuseum Goetz von Herzog & de Meuron (1992) in Muenchen. Ebenfalls in Muenchen gewannen Herzog & de Meuron drei Jahre spaeter das innerstaedtische UEberbauungsprojekt der Hypobank, fuer die sie auch ein kleines Hochhaus in Frankfurt entwarfen. Einen weiteren bedeutenden Auftrag haben sie zudem mit der Bibliothek der Fachhochschule im ostdeutschen Eberswalde in Bearbeitung. In der ehemaligen DDR engagiert sich ausserdem der Zuercher Dolf Schnebli, und zwar an einer Mustersiedlung im thueringischen Meiningen; und Burkhalter & Sumi, die in Erfurt ein Wohnprojekt vorantreiben, ringen ausserdem um die Ausfuehrung eines Hotelentwurfs in Weimar, mit dem sie der kulturell ambitionierten, aber mit guter Architektur nur wenig verwoehnten Stadt ein Glanzlicht aufsetzen moechten.

Auf der Grossbaustelle Berlin erkaempften sich zwischen 1993 und 1995 vor allem Diener & Diener gewichtige Auftraege, so fuer zwei Buerohaeuser am Potsdamer Platz, fuer die Hauptverwaltung der Berliner Wasserbetriebe, die Erweiterung der Schweizer Gesandtschaft und das Museum fuer Naturkunde der Humboldt-Universitaet. Von allen Deutschschweizer Entwuerfen fuer Berlin hat aber bisher Zumthors rigoroses Bauprojekt „Topographie des Terrors“ am meisten Aufsehen erregt. Am laengsten in der neuen Hauptstadt taetig ist der Zuercher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast, der bereits im April 1991 mit der Gestaltung eines 15 Hektar grossen Parkes auf dem Moabiter Werder beauftragt wurde. Hier wie beim Projekt fuer den Guenthersburgpark in Frankfurt sind die Ausfuehrungsarbeiten im Gange. Weitere Auftraege in Hannover (Expo 2000), in Karlsruhe und in Erfurt machten Kienast seither zu einem der gefragtesten Landschaftsarchitekten in Europa.
Noch ueberwiegen in Deutschland die Projekte. Einige davon, etwa die ABB-Buerohaeuser von Diener & Diener in Berlin oder das von Ernst Spycher im Vokabular der Basler Einfachheit konzipierte Kepler-Gymnasium in Freiburg-Rieselfeld, sind zurzeit im Bau. Daneben gibt es aber auch Haeuser, die bereits als „Klassiker“ gelten. Abgesehen von den oben erwaehnten Kulturbauten handelt es sich dabei vor allem um eigenwillige Wohngebaeude: etwa um Valerio Olgiatis anthrazitgraues Holzhaus in Rottenburg am Neckar von 1991, den Wohnblock, den Michael Alder 1993 fuer die Stuttgarter Mustersiedlung Wohnen 2000 errichtete, oder die Bauten von Ivano Gianola. Diesem Tessiner gelang es, mit Privathaeusern in Sulgau und Augsburg sowie einer Wohn- und Geschaeftsueberbauung in Amtzell Deutschland zu erobern, noch bevor Botta seinen Bibliotheksauftrag in Dortmund erhielt.
Im Wohnungsbau engagieren sich aber auch weiterhin Diener & Diener. Ihr juengstes Projekt findet sich auf dem als Architekturlabor bekannt gewordenen KNSM-Eiland im Amsterdamer Hafen. Von Umfang und Bedeutung her stellt dieser Auftrag ihr Projekt an der Pariser Rue de la Roquette leicht in den Schatten. Denn: was die Deutschschweizer Architektur betrifft, ist Frankreich noch immer das Hoheitsgebiet von Herzog & de Meuron, die - ausser den nicht realisierten Entwuerfen eines Kulturzentrums in Blois und einer Universitaetsbibliothek in Paris - Studentenhaeuser in Dijon, ein ungewoehnliches Lagerhaus in Muelhausen und die Sporthalle Pfaffenholz in Saint-Louis vorweisen koennen.

Bottas sakrale Lichträume

Sonst aber ist Frankreich seit Bottas Bauten in Chambery und Villeurbanne sowie der 1990 aus einer Durchdringung von Kubus und Zylinder entstandenen Gemeindekirche in Valbonne von Emilio Bernegger, Bruno Keller und Edy Quaglia ein Territorium der Tessiner. Galfetti realisierte in Chambery ein Theater und in Paris eine Wohnueberbauung, und von Livio Vacchini stammt das neuste Werk ueberhaupt, die eben erst vollendete Architekturschule in Nancy. All diese Architekturen ueberstrahlt seit 1995 Bottas zylindrischer Sakralbau in Evry: die erste franzoesische Kathedrale dieses Jahrhunderts. Der Meister sakraler Lichtraeume wurde nun Anfang 1996 gar mit dem Auftrag geehrt, in den Fussstapfen seines grossen Vorbilds Louis Kahn ein Synagogenprojekt fuer den Campus von Tel Aviv auszuarbeiten.

Botta ist - fuer einen Architekten aus der foederalistischen Schweiz hoechst ungewoehnlich - wie kaum ein anderer auf dem internationalen Parkett ein Virtuose der Repraesentationsarchitektur. Das bescherte ihm juengst Auftraege wie das Schweizer Geschaefts- und Kulturzentrum in Moskau oder das wallonische Regierungsgebaeude in Namur. Das Anfang 1995 mit viel Pomp eingeweihte Museum of Modern Art in San Francisco ist seit laengerm der eindruecklichste Prachtsbau auf diesem Gebiet in den USA und duerfte hoechstens von Richard Meiers Getty-Museum in Los Angeles uebertroffen werden. Mit einer monumentalen Inszenierung von Licht und Raum ueberraschte Botta schon vor sechs Jahren bei der Watari-Um-Galerie in Tokio, die - zusammen mit dem Kirchlein von Mogno - Bottas Erfolg auf dem Gebiet des Sakral- und Museumsbaus vor allem in Italien begruendete - von Pordenone bis Rovereto.

Die Emigranten von heute

Obwohl ausser Botta kein anderer Schweizer in den vergangenen Jahren in den USA einen dem Museum von San Francisco vergleichbaren Bau realisieren konnte, interessieren sich ploetzlich auch die Amerikaner fuer unsere Architektur: In den letzten zwei Jahren fand ausser der bereits erwaehnten Wanderausstellung „Construction, Intention, Detail“ eine Herzog & de Meuron gewidmete Doppelausstellung in New York statt; und mehrere Schweizer Architekten waren Ende 1995 an den grossen Themenschauen „Monolithic Architecture“ in Pittsburg und „Light Construction“ im New Yorker Museum of Modern Art vertreten. Dort war schon 1994 eine Werkpraesentation des an der ETH ausgebildeten Bernard Tschumi zu sehen, der Mitte der achtziger Jahre mit dem Parc de la Villette in Paris den Grundstein zu seinem Starruhm legte. Gegenwaertig zeigen gleich mehrere Auslandschweizer, dass das von Maderna bis Lescaze reichende Kapitel unserer Auswanderer noch nicht abgeschlossen ist. Schweizer Eigenheiten vermischen sich in ihrem architektonischen Vokabular mit Ausdrucksformen der Gastlaender: Cuno Brullmann baut, inspiriert vom englischen High-Tech, in halb Frankreich; von ihm stammt aber auch ein bemerkenswerter Wohnblock in Amsterdam. Der in Berlin taetige Ostschweizer Max Dudler, der 1995 zusammen mit seinem Bruder Karl am Hauptbahnhof Mannheim ein neues „Tor“ zur Stadt aufstellte, hat nun in Berlin-Mitte gleich mehrere grosse Bauten unter Konstruktion, und zwar in einem strengen Stil, der die Haerte von Ungers und Kleihues mit Deutschschweizer Einfachheit vereint. Ganz anders schliesslich der in Hongkong taetige, vom australischen Architekten Harry Seidler gepraegte Remo Riva, der mit seinen Hotelpalaesten und Buerotuermen aus Glas und Stahl - was Hoehe und Volumen betrifft - die gewichtigsten „Schweizer“ Bauten ueberhaupt aufstellt.
Als auslaendischer Spitzenspieler in unserer architektonischen Nationalmannschaft nimmt schliesslich Santiago Calatrava ein Sonderstellung ein. Der in Zuerich taetige Spanier hat nicht nur auf Schweizer Rasen Punkte geholt. Er traegt mit seinen Architektur und Ingenieurkunst vereinenden Bruecken, Bahnhoefen und Passagen in Sevilla, Lyon oder Toronto den Ruhm der ETH und der Schweiz in alle Welt. - Dennoch sollte man nicht vergessen, dass die Baukunst kein nationales Gut ist und dass mit guter Architektur allein die staedtebaulichen Probleme der Zukunft nicht geloest werden koennen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: