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Schelte vom Chef
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Im Vorfeld des Weltkongresses beklagt der Chef des deutschen Architektenbundes die mangelnde Qualifikation vieler Kollegen.

17. Juli 2002
Über das Leben in den Städten und eine umweltgerechte Bauweise werden in der kommenden Woche rund 3.500 Experten auf dem 21. Architektur-Weltkongress in Berlin diskutieren. Unter dem Motto „Ressource Architektur“ wollen die Architekten und Stadtplaner vom 22. bis zum 26. Juli über die Grenzen der Metropolen, neue Arbeitswelten und Wohnvisionen der Zukunft debattieren. Mit dabei sind Stararchitekten wie Peter Eisenman, Meinhard von Gerkan, Hans Kollhoff und Frei Otto sowie der Umweltbeauftragte der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer. Die Fachmesse für Planende Berufe im Bauen PlanCom (23. bis 26. Juli) sowie mehr als 50 über die Stadt verteilte Ausstellungen ergänzen das Kongressprogramm.


Verlorene Identität

Vor Beginn des Weltkongresses hat dessen Präsident Andreas Gottlieb Hempel die Baukunst in Deutschland kritisiert. „Es gibt zu viele Architekten ohne ausreichende Qualifikation“, sagte Hempel in einem dpa-Gespräch. Deutsche Innenstädte und Vororte seien oft ungestaltet, Häusern und Gebäuden fehle es an regionaler Identität. Hempel kritisierte in dem Zusammenhang die Praxisferne der Architektenausbildung in Deutschland und nannte die Niederlande und Skandinavien als vorbildliche Beispiele.


Altlasten

Nach 1945 sei die Stadtplanung vor allem auf den sozialen Wohnungsbau ausgerichtet gewesen. „Hauptsache man hatte ein Dach über dem Kopf“, sagte Hempel, „Fragen der Gestaltung des öffentlichen Raumes spielten auch bei den Bauherren eine untergeordnete Rolle“. Notwendig sei heute vor allem eine Rückbesinnung auf das „Gedächtnis der Orte“. Ein abschreckendes Beispiel ist nach Ansicht Hempels der neue Potsdamer Platz in Berlin mit seinen Bürotürmen und Ladenpassagen, der die Geschichte der Stadt verdeckt habe.


Gelungener Masterplan

Schon Alexander Mitscherlich beklagte die kriegsbedingte „Unwirtlichkeit unserer Städte“. Dabei besticht gerade Berlin nach wie vor mit Grundrissen, die - etwa im Vergleich zu Wien - dem öffentlichen Raum eine bedeutende Rolle beimessen. Selbst sanierungsbedürftige Arbeiterbezirke wie „Friedrichshain“ im Osten der Stadt, zeichnen sich durch lebendige und funktionierende Plätze, Promenaden und Parks aus, wie sie Wien in der Form nirgends zu bieten hat.


Rahmenprogramm

Bereits seit dem 11. Juli ist im Martin-Gropius-Bau die begleitende Ausstellung „Neue Deutsche Architektur - Eine Reflexive Moderne“ (bis 16. September) zu sehen. Gezeigt wird die Entwicklung von 25 Bauten deutscher Architekten von 1996 bis heute. Darunter sind die Neue Synagoge Dresden, das Neanderthal Museum Mettmann, das Krematorium Berlin und das noch nicht gebaute Umweltbundesamt in Dessau.

Vorgestellt werden außerdem zehn Architekten und Büros, die die Entwicklung in Deutschland während der vergangenen 25 Jahre entscheidend geprägt haben. Zu den von einer Jury ausgewählten Büros gehören unter anderen Behnisch + Partner sowie die Architekten Daniel Libeskind und Josef P. Kleihues. Parallel dazu werden in der Halle 20 der Messe Berlin bei einer Internationalen Architekturausstellung innovative Projekte und ungewöhnliche Architekturentwicklungen weltweit gezeigt.

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