Artikel

Alabasterhaut
Neue Zürcher Zeitung

Ein Buch über den holländischen Architekten Wiel Arets

7. August 2002 - Jürgen Tietz
Stolze 103 Nummern umfasst die Werkliste, die die erste grosse Monographie über die Arbeiten von Wiel Arets beschliesst. Rund 20 Jahre liegen zwischen Arets' ersten Entwürfen für einen Wohnblock in Rotterdam 1982 und den jüngsten Projekten, wie dem Arena Tower in Amsterdam, wo unterschiedliche Wohnungsmodule wie Puzzleteile ineinander gesteckt werden sollen, oder dem Groninger Fussballstadion, einer multifunktionalen Megastruktur mit Stadtteilcharakter, bei der dank Wohnhochhaus, Hotel, Büro, Kino und Fitnessklub das Rasengrün der Arena fast zur Nebensache wird.

Berühmt wurde Arets durch Bauten wie die Akademie für Kunst und Architektur in Maastricht (1989 bis 1993) mit ihren Wänden aus Glasbausteinen oder die Polizeistation in Vaals (1993 bis 1995), die sich wie eine Betonskulptur in die Landschaft fügt. Die Bauaufgaben, die Arets in den letzten Jahren in Angriff genommen hat, sind mit dem Ansehen gewachsen, das der Direktor des Rotterdamer Berlage-Instituts längst weltweit geniesst. Und so widmen sich in der von Xavier Costa herausgegebenen Monographie auch einige prominente Architekturtheoretiker und -kritiker in knappen Essays dem Werk des Niederländers. Darunter Anthony Vidler und Bart Lootsma, der den Wurzeln der minimalistischen Formensprache des aus Limburg stammenden Architekten nachspürt. Weitere Abschnitte sind Arets' ungebauten Entwürfen und seinen teilweise fast poetisch anmutenden eigenen Texten vorbehalten.

Doch es sind vor allem die Photographien von Hélène Binet, die die Qualität des Buches ausmachen und dabei viel über die Kraft und die raue Schönheit von Arets' Bauten verraten. So ist es wohl kaum ein Zufall, dass Binet häufig die Schnittstellen und Kanten der Gebäude ins Blickfeld der Kamera rückt. Dort wird nicht nur die von Arets bevorzugte Materialität - Sichtbeton, Glas, Metall - gezeigt, die den meisten seiner Bauten einen spröden Charme verleiht. Binet fängt in ihren Bildern auch die raffinierten Raumkonzepte ein, die Staffelung der Baumassen und Raumschichten, die durch die Materialkontraste eine zusätzliche Dimension erhalten. Die Photographien konzentrieren sich dabei vielfach auf das gebaute Detail: die Alterungsspuren des Betons, die Schnittstelle zwischen Architektur und umgebender Landschaft oder die Detaillierung eines Fensters, und werden dabei selbst zum Kunstwerk. Nur ärgerlich, wenn dabei eines der Bilder aus den Fugen gerät und auf dem Kopf steht.


[Wiel Arets: Works, Projects, Writings. Hrsg. Xavier Costa. Birkhäuser-Verlag, Basel 2002. 328 S., Fr. 112.-.9]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: