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Maler und Architekt
Neue Zürcher Zeitung

Ausstellung Alfons Mucha in Prag

26. August 2002 - Hubertus Adam
Die Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 bedeutete nicht zuletzt einen Durchbruch für die Kunst des Art Nouveau und seiner deutsch-österreichischen Variante, des Jugendstils. Zu einem wenig bekannten Manifest wurde der Pavillon von Bosnien-Herzegowina, der mit grossartigen Wandbildern des seit 1887 in Paris lebenden tschechischen Malers und Grafikers Alfons Mucha ausgestattet war. Mucha, welcher Motive in mehreren Reisen auf den Balkan gesammelt hatte, gelang eine Erneuerung der Historienmalerei in zeitgemässer Formensprache; die in Aquarell und Tempera auf Leinwand ausgeführten Bilder verbanden Szenen aus der Geschichte des Landes mit bosnischen Legenden und einer in heutiger Zeit nachgerade utopisch anmutenden Darstellung des Nebeneinanders von Katholizismus, orthodoxer Kirche und Islam.

Seit 1900 magaziniert, ist der vom Museum der dekorativen Künste Prag aufbewahrte, jüngst restaurierte Zyklus zum ersten Mal wieder öffentlich zu sehen - zusammen mit Vorstudien und Modellfotos. Die Ausstellung, die im grandiosen Obecní Dum, dem zwischen 1906 und 1911 von den Architekten Antonín Balsanek und Osvald Polívka errichteten Repräsentationshaus der Gemeinde Prag, ein adäquates Domizil gefunden hat, zeigt ausserdem Muchas unrealisierte Entwürfe für den «Pavillon de l'homme». Der phantastisch anmutende Bau verschmilzt Formen von Jugendstil und Historismus, erinnert an die Tempelarchitektur von Fidus, lässt aber auch schon expressionistische Visionen erahnen, wie sie später in den visionären Skizzen Hermann Finsterlins Gestalt fanden. Ergänzt wird die Schau durch Studien, Entwürfe und Tafeln zu der durch eine freimaurerische Symbolwelt geprägten bibliophilen Veröffentlichung des Vaterunser, das Mucha unter dem Titel «Le Pater» 1899 in Paris publizierte.


[Bis 29. September. Kataloge: Alphonse Mucha - Paris 1900. The Pavilion of Bosnia and Herzegovina at the World Exhibition (Tschechisch/Englisch). Hrsg. Obecní Dum, Prag 2000. 100 S., 560 Kronen. - Le Pater. The Lord's Prayer (Tschechisch/Englisch). Hrsg. Obecní Dum, Prag 2000. 132 S., 560 Kronen.]

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