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Wahnsinn und andere Architekturen
Der Standard

Österreich ist nicht nur in seinem Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig gut vertreten. Auch die Hauptschau zeigt einige starke heimische Beiträge zum nationalen und internationalen Architekturgeschehen, die sich sehen lassen können.

12. September 2002 - Ute Woltron
Eigentlich hätte alles noch viel toller werden sollen in Sachen Österreicher auf der Architekturbiennale. Eigentlich hätte Heidulf Gerngross die Lagunenstadt gerne quasi mit Architektur überschwemmt gesehen, mit einer aus Containern aufgestapelten Kapelle vor dem Arsenal, einer sich selbst tragenden, durch die Energien der Sonneneinstrahlung aufschwebenden Kunststoffkugel vor dem Bahnhof, und das alles neben seinem ohnehin offiziellen Beitrag im traditionellen Hoffmann-Pavillon.

Das Veto der lokalen Denkmalschützer machte Gerngrossens Pläne bedauerlicherweise zunichte, und damit seinen halben Auftritt sozusagen virtuell.

Auch Rainer Köberl hätte alles noch toller getrieben, wenn man ihn gnädigst gelassen hätte. Seine Pläne sahen - sozusagen in reziprokem Pas de deux zum Kollegen Gerngross - einige gravierende Abrisse der bestehenden Österreich-Pavillon-Architektur vor, nämlich der dahinter gelegenen Hofmauer und dem Bürokämmerchen daneben. Wie schade, dass er nicht durfte, was dem ohnehin entlegenen Haus zur Zier gereicht und dem Giardini-Areal einen prominenten zweiten Ein-und Ausgang, ein weiteres Tor zur Stadt beschert hätte. Doch Architektur ist nicht immer nur das, was der Fall ist, sondern auch das, was der Fall sein könnte, und deshalb steht Österreich mit seinen vielfältigen Beiträgen zur großen Architekturschau wacker da.

Ob sich die im Pavillon eingehängte Loftwohnung von Gerngross sowie der überflutete Raum Köberls samt umlaufender Inschriften den hastigen Biennale-Betrachtern wirklich in ihrer Gesamtheit und Tiefe erschließen, bleibt allerdings fraglich.


Blasse Präsentation

Ebenso lebt die intensive, faszinierende Persönlichkeit Jan Turnovskys nicht wirklich wieder auf in einem Raum, der mit seinen klugen, witzigen, originellen Überlegungen zur Architektur austapeziert ist. Trotzdem gut, dass er dabei ist, der 1995 freiwillig aus dem Leben Gegangene, der einer der wichtigsten, weil subversivsten und irritierendsten Architekturlehrer der damaligen Zeit in Wien war.

Und Nelo Auer? Ihr mit bunten Pölstern befüllter Kuschelraum wurde von Anfang an ganz gut vom sich des Schuhwerks entledigenden Publikum angenommen. Doch was mehr als barfüßige Kissenbenutzer auf Teppichboden ist eigentlich in diesem Beitrag zu sehen?

„Integrazione - Denn der Wahnsinn braucht Methode“ hat Dietmar Steiner getitelt. Gerngross hat diesen Wahn durchaus ausgelebt, Unternehmen zur Mitarbeit gewonnen, mit dem „Archiquant“-Teilchen, das er erfand, einen neuen Architekturmarketing-Kosmos vom Damenring bis zum Barhocker erfunden. Den anderen hätte ein bisschen mehr Wahnsinn vielleicht noch besser getan.

Auch die heuer ganz furchtbar ernste, würdige, in Kapitel geteilte Hauptschau ist mit Österreichischem gut durchzogen: „Housing“ bringt die geplanten City-Lofts samt Wohnhochhaus am Wienerberg von den jungen Wiener Shootingstars Delugan-Meissl, die zu den ganz wenigen hier in Venedig Gezeigten mit sozialem Anspruch gehören. Zwischen den entzückenden filigranen Modellchen in „Museums“ erregt eine lilablaue Skulptur größerer Dimension Aufsehen, die in Originalgröße veranschaulicht, wie die Haut des von Cook und Fournier geplanten Kunsthauses in Graz demnächst ausschauen wird.

„Communication“ eröffnet mit der Gruppe Baumschlager, Eberle, Gartenmann, Raab GmbH und der Flughafenerweiterung in Schwechat, sowie mit Boris Podreccas Praterstern-Projekt für Wien. Podrecca mischt auch ordentlich im italienischen Pavillon mit, wo er etwa mit städtebaulichen Projekten wie Triest prominent vertreten ist.


Türme für Wien

Doch zurück zur Hauptschau: „Towers“ ist hier unter anderem gespickt mit Hans Holleins Porr-Turm am geplanten Monte Laa in Wien. Und „Shopping“ präsentiert Coop Himmelb(l)au mit ihrer BMW-Welt in München. Die Wiener sind auch noch in der Städtebauabteilung „Masterplans“ mit ihrem Beitrag für das JVC Cultural Centre in Guadalajara zu sehen.

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