Artikel

Wieder eine Aufforderung zum Vertrauen
Der Standard

Österreichs Architekturvermittler rufen zu einem zweitägigen nationenweiten ArchitektInnen-und Architekturkennenlernen auf. Das Planen und Bauen in höchster Qualität soll dem breiten Publikum näher gebracht werden.

21. September 2002 - Ute Woltron
Friedrich Achleitner schrieb bereits im Jahr 1987 folgende Sätze nieder, nachzulesen in seinem Buch Aufforderung zum Vertrauen: „Eine kleine Zahl von Bauten und eine größere von Entwürfen zeigt, dass die Architektur auch bei uns eine Mannigfaltigkeit erreicht hat, die den eingebürgerten Pessimismus nicht mehr rechtfertigt. So sollte diese kleine Bestandsaufnahme eigentlich eine Aufforderung zum Vertrauen sein, eine Aufforderung an die privaten und öffentlichen Bauherren, sich bei ihren Bauaufgaben jener Kräfte zu bedienen, die - trotz der widrigen Umstände in unserem Land - eine Veränderung der architektonischen Szene herbeigeführt haben.“

Fünfzehn Jahre sind seit Achleitners Aufruf vergangen, man darf behaupten, er wurde gehört, vor allem natürlich von den Architekten selbst. Aus der „kleinen Zahl von Bauten“ ist eine große geworden, viele ausgezeichnete jüngere Gebäude bilden ein vorzügliches und breit gefächertes Portfolio heimischer Architekturbemühungen. Was die „widrigen Umstände in unserem Land“ anbelangt, so scheinen sie angesichts der Resultate, vor allem im internationalen Vergleich beurteilt, gar so widrig auch wieder nicht zu sein. Der architektonischen Trockensteppe der 80er-Jahre folgte ein durchaus gedeihlicheres Klima, und obwohl man wahrlich noch nicht versucht ist, von tropischer Üppigkeit zu reden, so konnte die Branche doch so manche außergewöhnliche Blüte erleben.

Seit geraumer Zeit versuchen so genannte Architekturhäuser in den einzelnen Bundesländern quasi treibhausartig einzuwirken und das Thema Architektur auch in das Bewusstsein der Öffentlichkeit ranken zu lassen. Erstmals kam es nun zwischen all diesen Institutionen gemeinsam mit der Architekturstiftung Österreich und dank der Initiative von Stiftungsvorstand Christian Kühn sowie dem Bundesvorsitzenden der Architekten, Georg Pendl, zu einer gesamtösterreichischen Aktion: Kommenden Freitag und Samstag rufen alle Architekturhäuser zu den Architekturtagen 2002 auf. Und damit die Vielfalt auch über die Landes- und Bundesgrenzen hinaus dokumentiert werde, zog man das Schaffen der angrenzenden Nationen auszugsweise hinzu.

Geplant sind etwa Bauvisiten, Atelierbesuche, Referate, Feste. Das ALBUM erlaubt sich einen groben Überblick, alle Details sind im Internet unter www.architekturtage.at abrufbar. Ein Katalog in deutscher und englischer Sprache namens Architektur 2002 bietet einen „selbstkritischen Querschnitt durch die architektonische Landschaft Österreichs und seine Nachbarländer“. Erschienen ist das kleine Architekturpaket im Verlag Anton Pustet, näheres wird kommende Woche in der STANDARD-Rubrik „Das aktuelle Buch“ nachzulesen sein.

Unter dem Titel „Geheime Orte“ verführt der Architektur Raum Burgenland zu „Architekturexpeditionen“ und veranstaltet am Freitag eine Busreise rund um den Neusiedlersee, am Samstag ist eine Schiffsfahrt geplant. Der Architektur Raum will die „Situation der zeitgenössischen Architektur am Neusiedler See“ diskutieren und analysieren, dabei allerdings nicht nur sozusagen offizielle Gebäude durchnehmen, sondern sich auch so mancher anonymer Baukultur annehmen. Geplant ist weiters ein Fest vor dem Schlossplatz in Eisenstadt, wo Filme über zeitgenössische Architektur zu sehen sein werden.
Architektur Raum Burgenland, 02682/704-4160

Die Häuser der Architektur in Kärnten und Graz wollen am Tag der offenen Ateliers am Freitag interessierten Besuchern Einblicke geben in die alltägliche Architekturbüro-Arbeit und die Frage beantworten: „Was machen Architekten eigentlich?“ Damit die Sache rund wird, gibt es Besichtigungstouren zu den jeweiligen Resultaten, sprich Bauten, die in den meisten Fällen von den Architekten selbst betreut werden. Am Samstag dürfen „Architekturpfade“ beschritten und manche Zukunftsprojekte wie das in Entstehung begriffene Grazer Kunsthaus von Cook/Fournier oder die Mur-Insel von Vito Acconci besichtigt werden.
Haus der Architektur Kärnten - Napoleonstadl: 0463/339401
Haus der Architektur Graz: 0316/323500, www.hda-graz.at

Oberösterreich stellt seinen Beitrag unter den Titel „city aspiration“, die „Sehnsucht der Stadt nach Bewohnern und Sehnsucht der Bewohner nach Stadt“, und weitet das Präsentationsgebiet über die Grenzen nach Tschechien und in die Slowakei aus. Eine Busreise führt am Freitag zu den „Wohnsilos der Vergangenheit“ und mündet in den Vortrag „Bauen auf der grünen Wiese“, um aktuelle städtebauliche Prozesse in und um Linz zu analysieren. Der Samstag steht im Zeichen diverser Vorträge im Architekturforum, auch Gäste aus Tschechien und der Slowakei dürfen begrüßt werden.
Nil Architecture & Urbanism: 0676/9502509

Die Initiative Architektur Salzburg fordert „Offene Architekturen, Architektur und Schule“ und veranstaltet dazu das Symposium „Verstehen Sie Bahnhof?“. Auch hier gibt es diverse Führungen durch Gebäude sowie eine Zusammenarbeit mit den Schulen, um bereits den Kindern „die Arbeit der Baukünstler näher zu bringen“. Das Bahnhofssymposium findet am Freitag statt, internationale Experten werden dazu erwartet.
Initiative Architektur Salzburg: 0662/879867

Das Architekturforum Tirol nennt seine Atelierbesuche „drop in & out“, die zu besichtigenden Bauten sind frisch und neu, wie beispielsweise Dominique Perraults soeben fertiggestelltes Rathaus Innsbruck und Zaha Hadids Bergisel-Schanze. Am Samstag folgen diverse „Stadtvorträge“ über Innsbruck und auch Krakau, den Abschluss bildet ein Fest im Rathaus.
Architekturforum Tirol: 0512/571567

Auch das Vorarlberger Architektur Institut bietet unter dem Titel „Offen für Räume - Willkommen im Leben“ einen Tag der offenen Tür in diversen Büros am Freitag an, dazu gibt es Bustouren und Radwanderungen, sowie ein Schülerprojekt, das den jungen Vorarlbergern „das Erkennen von Qualität in der Architektur anhand alter und neuer Gebäude“ vermitteln soll. AUch die Fachhochschule Liechtenstein beteiligt sich in Form einer Führung zu liechtensteiner Architekturen.
Vorarlberger Architektur Institut: 05572/51169

Wien und Niederösterreich präsentieren „Architektur von innen“ und fordern die Besucher auf: „Rennen Sie offene Türen ein“. Etwa 200 Gebäude und Architekturbüros stehen tatsächlich offen. Eine „architektonische Schiffsreise“ führt am Samstag von Tulln bis in die Slowakei. Etwa 500 Gäste werden erwartet, darunter Architekten wie Hermann Czech sowie Planungsstadtrat Rudolf Schicker. Ziel: die „Förderung der Kommunikation zwischen Stadt und Land, Ost und West, Fachleuten und Laien“.
ORTE architekturnetzwerk niederösterreich: 02732/78374


[www.architekturtage.at
architektur@derStandard.at]


Kultureller, politischer, sozialer Mehrwert

Georg Pendl über die Sinnhaftigkeit, Architektur gemeinsam zum Thema zu machen

ALBUM: Wie ist es zum Zusammenschluss der Architekturhäuser gekommen?
Georg Pendl: Vor einigen Jahren hat die Kammer bereits einmal eine ähnliche Aktion gestartet, diesmal wollten wir aber die Architekturhäuser der Bundesländer und die Architekturstiftung mit einbinden, also jene, die das Feld ohnehin ständig beackern. Wir haben einen Verein gegründet, um solche Aktionen auch in der Zukunft machen zu können.

ALBUM: Was verspricht man sich davon?
Pendl: Wir wollen den Leuten klarmachen, dass Architektur immer und überall ist, ob in der Stadt oder auf dem Land. Wir wollen Kommunikation nach außen betreiben, Interessierte ansprechen, und auch die inneren Netze zwischen den Bundesländern stärker knüpfen.

ALBUM: Wie wollen Sie aber Leute für diese Aktion begeistern, die keine Architekten sind?
Pendl: Es werden natürlich Leute kommen, die sich im Grunde für Architektur bereits interessieren.

ALBUM: Architekten war es die längste Zeit verboten, Werbung für sich zu machen. Ist diese Aktion eine Art Gemeinschaftspromotion?
Pendl: Jede Eröffnung eines neuen Hauses, jede Bautafel ist im Grunde genommen eine Form der Werbung, so wie auch diese Aktion. Doch die kostet indirekt etwas, den einzelnen aber nichts. Sie dient also auch kleinen Büros, die sonst nicht einmal einen Dreizeiler schalten könnten.

ALBUM: Wie glauben Sie, werden Architekten landläufig gesehen?
Pendl: Ich fürchte, als Klischee des eleganten, smarten Menschen, der irgendwie auch mit Design zu tun hat. Uns geht es aber um kulturellen, politischen, sozialen Mehrwert in unserer Arbeit. Wer das nicht im Sinn hat, sollte als Architekt nicht antreten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: