Artikel

Architektur oder Schlagoberstüpferl
Der Standard

Die Architekten wollen die Politiker in die Pflicht nehmen.

16. November 2002 - Ute Woltron
Kein denkender Mensch kann Zweifel daran hegen, dass Architektur, Bauen, Städtemachen ein elementares Thema der Politik im puren Sinne des Wortes ist. Die gebaute Umwelt und ihre Qualität betrifft jeden einzelnen von uns direkt, und es ist ein grausamer Zynismus, dass Architekten von jenen, die Machtfäden in Händen halten, allzu gern und viel zu oft lediglich als Behübscher und Schlagoberstüpferlmacher betrachtet werden.

Architektur, so die Meinung der meisten Politmacher bis hin zu vielen Bürgermeistern, sei ein gewisser Luxus, ein vor den Wählern zu verantwortendes über-die-gewöhnlichen-Ansprüche-Hinausgehen. Architektur, aber das wissen nur die, die sie gut machen und noch ein paar wenige andere, beginnt vielmehr schon in den Köpfen der Entscheidungsträger, setzt sich fort in sorgfältigem Nachdenken über Häuser und Städte und in der Beauftragung derjenigen, die sich damit auskennen. Mit Material, Form, Kalkulation und den Menschen, die diese Häuser und Städte später benutzen - und die im übrigen in der Folge auch zur Wahlurne schreiten werden. Andererseits haben die Architekten in ihrer jeder Beschreibung spottenden politischen Patschertheit verlernt, ihre Qualitäten auf dem glatten Parkett der Macht so zu verankern, dass sie auch wirklich ernst genommen werden - sieht man von wenigen geschmeidigeren Ausnahmen einmal ab. Interessanterweise zieren regelmäßig gerade jene Architekten die Opernballloge der Kanzler und Präsidenten, die international Anerkennung und Aufträge fanden, hierzulande allerdings lange Jahre Hunger leiden durften.

Kommenden Montag wird all dies kräftig zur Debatte stehen, denn vor allem die junge Architektengarde will nicht länger zuschauen, wie sich die politischen Machtsüppchen in Form einheitsbreiiger Allerweltsarchitektur über die Lande ergießen, wie wichtige Bauaufgaben den guten Freunden der Mächtigen zugeschanzt und Baukulturträger ausgehungert werden. Aus diesem Grund laden die Wiener und die Tiroler Architektenkammer, die IG-Architektur und die Architekturfakultät der Wiener Akademie für bildende Künste als Plattform für Architektur und Baukultur (unterstützt auch von einer Reihe wichtiger Architekturinstitutionen) zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Architekturpolitik und Baukultur in Österreich“. Unter der Moderation von Franziska Leeb (im STANDARD für die Neuen Häuser zuständig) werden Vertreter von SPÖ, ÖVP, den Grünen und der FPÖ auch dem Publikum Rede und Antwort stehen. Auf dem Podium werden erwartet: Josef Cap (Parlamentsclubchef der SPÖ), Andrea Wolfmayr (Kultursprecherin der ÖVP), Eva Glawischnig (stellvertretende Parteiobfrau der Grünen) sowie ein/e zu Redaktionsschluss noch nicht feststehende/r Vertreter/in der FPÖ.

Zur Vorbereitung der solchermaßen geforderten Politiker wurde ein zehn-Punkte Fragenkatalog erarbeitet und vorab ausgesandt. Die Fragen beschäftigen sich 1.) mit dem künftig zur Verfügung stehenden Budget für entsprechende Architekturpolitik, (derzeit 1,6 Millionen Euro), 2.) mit dem Bekenntnis zur zeitgemäßen, qualitätsvollen Planungskultur und die entsprechenden Maßnahmen und Anreize, 3.) mit der Festlegung von Qualitätsstandards für öffentliche Bauvorhaben, 4.) mit einer gewünschten Instanz, die Architekturpolitik effizient umsetzen, Architektur quasi zur „Chefsache“ machen könnte, 5.) mit der Anerkennung von Leistungen auch durch entsprechend einzuhaltende Honorarrichtlinien, 6.) mit der Vergabe nach Wettbewerb, Qualität und nicht nur - wie so oft - ausschließlich nach Kostenfaktoren, 7.) mit einer interdisziplinär vernetzten, ganzheitlichen Planungskultur, 8.) mit der Qualität der Ausbildung, 9.) mit bildungspolitischen Maßnahmen zur Architekturvermittlung und 10.) mit der Förderung des architektonischen Nachwuchses.

Das mit Abstand ausgearbeitetste Antwortprogramm lieferten die seit geraumer Zeit in Sachen Planungspolitik äußerst engagierten Grünen, die im Gegensatz zu den anderen Parteien Fachleute in ihren Reihen aufweisen können. „Architekturpolitik“, so der nicht ganz von der Hand zu weisende Schluss, „gab es noch nie in Österreich. Unser wichtigstes Ziel ist, das zu ändern“. Und: „Es geht um das Ziel der Gesamtqualität von Planungs-, Bau- und Nutzungsprozessen als eine wahrnehmbare Integrations- und Kulturleistung der Gesellschaft.“ Die ÖVP ist sich zumindest bewusst, dass es „in Österreich eine große Anzahl hervorragender Architekten und Ingenieure“ gibt, die „ihr Know-How auch international schon unter Beweis stellen konnten“. Die FPÖ zitiert sicherheitshalber Otto Wagner, dessen Ansicht, dass „alles modern Geschaffene dem neuen Material und den Anforderungen der Gegenwart entsprechen“ müsse. Die SPÖ bekennt sich zu einer „zeitgemäßen, qualitativ hochwertigen Architektur und Planungskultur für die Bautätigkeit des Bundes“ und „tritt für die Errichtung eines Architekturrates ein, dessen Aufgabe es wäre, qualitätsorientierte Langzeitstrategien zu entwickeln und ein Architekturleitbild für den öffentlichen Auftraggeber zu erstellen. Darüber hinaus sollen die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass der Bund als Bauherr neben wirtschaftlichen und funktionellen Kriterien auch die Förderung der Baukultur und der architektonischen Qualität als Kriterien zu beachten hat.“ All diese frommen Wünsche werden offenes Ohr bei den Bauleuten finden, und man kann davon ausgehen, dass die Plattform für Architektur und Baukultur nach den Wahlen in diesen offenbar ergiebigen Minen guten Willens nachschürfen wird.


[„Architektur und Baukultur in Österreich“, Podiumsdiskussion mit Vertretern der SPÖ, ÖVP, Grüne, FPÖ, Montag, 18.11. ab 20 Uhr im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste (Semperdepot), Wien. Alle Fragen und die Antworten der Parteien gibt es unter www.architektur-inprogress.at]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: