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Eine Liegenschaft in Deutschland
Neue Zürcher Zeitung

Albert Einsteins Sommerhaus in Caputh

8. Oktober 2001 - Hubertus Adam
In der architekturinteressierten Öffentlichkeit hat der 100. Geburtstag des Architekten und Ingenieurs Konrad Wachsmann (1901-1980) vergleichsweise wenig Resonanz gefunden. So blieb die Neuauflage des von Michael Grüning verfassten und erstmals 1986 in der DDR verlegten «Wachsmann-Reports» (NZZ 25. 7. 01) in diesem Jahr der wichtigste Hinweis auf den Pionier eines präfabrizierten Bauens. Eine eigentlich überfällige Retrospektive wurde von keinem deutschen Museum angekündigt - und der Nachlass liegt unerforscht in den USA, wohin Wachsmann 1941 emigrierte. Dem vor einigen Jahren gegründeten Philo-Verlag ist nun eine Monographie des von Wachsmann entworfenen Einstein-Hauses in Caputh an der Havel zu verdanken. Dabei widmet sich der Autor Dietmar Strauch weniger der architekturhistorischen Bedeutung des Gebäudes als dessen wechselvoller Geschichte, die zunächst mit einer Posse begann, nämlich dem Versuch des Berliner Magistrats, dem berühmten Wissenschafter und Nobelpreisträger in Anerkennung seiner Verdienste zu seinem 50. Geburtstag ein Grundstück zu schenken.

Bürokratische Verschleppung führte schliesslich dazu, dass der Physiker das Gelände auf eigene Kosten erwarb und ein Sommerhaus durch Wachsmann errichten liess, der bis zu diesem Auftrag als Architekt für die auf vorgefertigte Holzhäuser spezialisierte Firma Christoph und Unmack in Niesky gearbeitet hatte. Der Mut des jungen Architekten war erstaunlich: Kaum hatte er aus der Zeitung von Einsteins Bauabsichten erfahren, empfahl er sich als der Entwerfer. Nicht ohne Erfolg, denn noch im gleichen Jahr (1929) konnte er das schlichte, dunkelrot lackierte Holzhaus fertigstellen. Wie schon bei seinem Wohnhaus für einen Direktor von Christoph und Unmack in Niesky hatte Wachsmann bewiesen, dass sich die Methode des Holzhausbaus sowohl mit der Idee der Präfabrikation als auch mit der Ästhetik des Neuen Bauens vertrug.

Einstein bewohnte das Haus zwischen 1930 und 1932, dem Jahr seiner Reise in die USA, von wo er aus politischen Gründen nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte. Die eigentlichen Eigentümer der Liegenschaft, nämlich die beiden Töchter aus erster Ehe von Elsa, der zweiten Frau Einsteins, vermieteten das Haus daraufhin an das jüdische Kinderheim der Reformpädagogin Gertrud Feiertag. Obwohl Einsteins Besitz und Vermögen schon 1933 beschlagnahmt worden waren, erfolgte die definitive Enteignung durch den preussischen Staat erst Mitte 1935. Schliesslich gelangte das Gebäude in den Besitz der Gemeinde Caputh, die zunächst eine Nutzung für NS-Jugendorganisationen anvisierte, dann jedoch Kindergärtnerinnen dort ausbilden liess; geplante Umbauten und Erweiterungen bleiben angesichts kriegswirtschaftlicher Beschränkungen unrealisiert. Im Krieg übernahm die Wehrmacht das Haus, nach 1945 diente es als Wohnhaus.

Minuziös schildert Strauch auch die Nutzung des Anwesens nach 1945. Obwohl - zunächst seitens der sowjetischen Besatzungsmacht, dann auch durch Institutionen der DDR - Überlegungen angestellt wurden, die Familie zu entschädigen oder eine Rückübertragung in die Wege zu leiten, profitierte man weiterhin vom Unrecht des Jahres 1935: Die Akademie der Wissenschaften nutzte von 1979 bis 1991 das Gebäude. 1994 gelangte es wieder in den Besitz der Gemeinde, und seitdem war es im Rahmen von Führungen zugänglich. Dieser Zustand galt als interimistisch; 1996 entschied das Amtsgericht Potsdam, Haus und Grundstück den rechtmässigen Erben zurückzugeben, zu denen insgesamt zwölf Personen und Institutionen zählen, darunter eine Augenklinik in Princeton, die Hebrew University in Jerusalem und die Jewish Claims Conference. Der Streit innerhalb dieser heterogenen Erbengemeinschaft zum einen, die Weigerung der Gemeinde Caputh zum anderen, angesichts der «geregelten» Eigentumsfrage in den Erhalt des Hauses zu investieren, führten in den vergangenen Jahren - wie auch bei dem ungenutzten Direktor-Wohnhaus in Niesky (NZZ 13. 7. 99) zu zunehmender Verwahrlosung. Die dringend nötige Substanzerhaltung bleibt aus. Seit diesem Frühjahr ist das Einstein-Haus in Caputh wegen Baufälligkeit für den Besucherverkehr gesperrt.


[Dietmar Stauch: Einstein in Caputh - Die Geschichte eines Sommerhauses. Philo-Verlag, Berlin 2001. 154 S., Fr. 39.80.]

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