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«Tunable spaces»
Neue Zürcher Zeitung

Junge japanische Architektur in Wien

4. Januar 2003 - Paul Jandl
Es ist das Ende der Hierarchie. Im «Superflat» der neuen japanischen Architektur lösen sich feste Rangordnungen auf, eine Gleichwertigkeit der Räume bestimmt das Bauen. Leicht und variabel ist diese Architektur, traditionell und modern zugleich, wie jetzt eine gelungene Ausstellung im Wiener Ringturm zeigt. «45 unter 45 - Junge Architektur aus Japan» dokumentiert die Arbeit einer Generation, die vor allem für die komplexer gewordenen Anforderungen des urbanen Lebens eigenständige Antworten liefert.

Immer schon war das verdichtete Bauen in den japanischen Städten eine Herausforderung. In der Wiener Ausstellung und dem sehr gut gemachten Katalog finden sich utopische Stadtprojekte wie Nobuo Horichis «Polyphonic City», ein Komplex miteinander verbundener Hochhäuser, und zahlreiche Versuche, platzsparende Individualität in den urbanen Wüsten des Anonymen zu verwirklichen. Manabu Chiba baut ein abweisendes «Haus in Schwarz» als strengen Kubus, in den Terrasse und Autoabstellplatz ihre Breschen schlagen, Kazuyo Sejima dagegen ironisiert mit ihrem transparenten «Kleinen Haus» die baulichen Anforderungen der Städte. Jedes Stockwerk wird von einem einzigen Zimmer gebildet, dessen Grösse je nach Nutzung auch den Grundriss bestimmt. So wechseln die Aussenmasse des glasumhüllten Hauses von Stockwerk zu Stockwerk.

In der Enge der japanischen Städte gedeiht eine Architektur, die mit erfindungsreicher Ökonomie den knappen Raum nützt. Ausserhalb der Metropolen ist eine Ökologie am Werk, die Natur und Landschaft in den architektonischen Entwurf einbezieht. Das von Hiroyuki Sekino in China am Fluss Zhujiang gebaute Internationale Konferenz- und Ausstellungszentrum von Guangzhou nimmt die Figur von Wind und Wellen in den stromlinienförmigen Körper auf, Jun Shinozaki baut ein «Aquamarine Fukushima» als gläserne Blase über die staunenswerte Meereslandschaft des Pazifiks. Die Lebenswelt des Menschen interpretiert Sosuke Fujimoto mit dem «Haus N» neu, einem in Schichten aufgebauten Gebäude, in dem sich das Wohnen an die dominierenden Niveauunterschiede anzupassen hat. Von Utopien wie dem Entwurf der zukünftigen Büros als «tunable spaces» (Kenichi Inamura) führt der Weg immer wieder zurück zur japanischen Tradition. Bekanntestes Beispiel, das auch in Wien dokumentiert wird, ist Shigeru Bans Japanischer Pavillon zur Expo 2000 in Hannover. Zu dessen aus Papierrollen konstruiertem Dom der Ökologie liefert Shuhei Endo das gewissermassen politisch unkorrekte Komplementärmodell. In den Loopings seiner gerollten Wellblechbahnen schafft er den Raum für das Wohnen und Arbeiten am Anfang des 21. Jahrhunderts.


[ Bis 31. Januar. Als Katalog: 45 unter 45. Junge Architektur aus Japan. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2002. 156 S., Euro 36.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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