Artikel

Mehr als die Oper von Sydney
Neue Zürcher Zeitung

Pritzker-Architekturpreis an Jørn Utzon

8. April 2003 - Roman Hollenstein
Die Jury des Pritzker-Architekturpreises, welcher von den Initiatoren gerne Nobelpreis der Architektur genannt wird, ist immer wieder für Überraschungen gut. Dieses Jahr hätte man im Zeichen des Krieges eigentlich die Ehrung der irakischen Wahllondonerin Zaha Hadid erwartet, die Ende Mai mit dem Contemporary Arts Center in Cincinnati ihr erstes von den Dimensionen her wirklich grosses Werk eröffnen kann. Damit hätte das Preisgericht die mit der Auszeichnung von Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron initiierte Ausrichtung auf Vordenker der zeitgenössischen Architektur fortführen können. Nun aber geht der mit 100 000 Dollar dotierte Preis an Jørn Utzon, dessen überragendes Meisterwerk, das Opernhaus von Sydney, heute das Wahrzeichen Australiens und somit eines der berühmtesten Bauwerke überhaupt ist. Da Utzon wohl vor allem für dieses Werk ausgezeichnet wurde, kommt der fünfte Kontinent erneut zu Pritzker- Ehren, nachdem im vergangenen Jahr Glenn Murcutt den Preis hatte entgegennehmen können.

Der vor 85 Jahren, am 9. April 1918, in Kopenhagen geborene Utzon kann aber mit mehr als «nur» dem Opernhaus von Sydney aufwarten. Nach Lehrjahren bei Asplund, Aalto und Wright eröffnete er 1950 in Kopenhagen sein Atelier. Sieben Jahre später überraschte er die Welt mit dem siegreichen Wettbewerbsentwurf für das Opernhaus von Sydney, das nach vielen Querelen und Planänderungen erst 1973 eröffnet werden konnte. Noch weniger Glück hatte er mit seinem 1964 prämierten Projekt für ein neues Zürcher Stadttheater. Von Utzons realisierten Bauten sind vor allem die Gartensiedlung in Helsingør (1960), die Bagsvaerd-Kirche in Kopenhagen (1976) sowie das zeltartige Parlamentsgebäude in Kuwait City (1972-1982) zu erwähnen, bei dem er gezielt auf islamische Typologien zurückgriff. Interessant sind aber auch seine der lokalen Tradition verpflichteten Villen, die er auf Mallorca baute, wo er seit bald 30 Jahren zurückgezogen lebt. Nachdem ihm 1998 für sein Schaffen die wichtigste kulturelle Auszeichnung Dänemarks, der «Sonningpreis», verliehen worden war, konnte er im vergangenen Jahr das Dunkers-Kulturzentrum im südschwedischen Helsingborg einweihen. Mit Utzon erhält ein Architekt den Pritzker-Preis, dem die humanen Aspekte des Bauens stets wichtiger waren als grosse Gesten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: