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Bald kein Denkmal mehr
Neue Zürcher Zeitung

Abriss des Berliner Admiralspalastes?

2. Mai 2003 - Claudia Schwartz
In Berlin, der verarmten Stadt, ist es keine Seltenheit, dass Gebäude, die man zuerst zum Denkmal erklärt, bei Aussicht auf kaufkräftige Investoren doch zur Disposition gestellt werden. Aktuelles Beispiel ist der Admiralspalast am Bahnhof Friedrichstrasse, in dem bis zum Sommer 1997 das Metropol-Theater seine Spielstätte hatte. Nun ist das Grundstück an zentraler Lage zum Verkauf ausgeschrieben, wobei Kaufgebote unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes wie auch beim Wunsch nach einer Aufhebung des Denkmalschutzes willkommen sind. Im Klartext wird damit auch ein Abriss des in seinen neoklassizistischen Fassaden noch original erhaltenen Baus nicht ausgeschlossen. Vorläufig rechnet man allerdings damit, dass das Vorderhaus zur Friedrichstrasse, die Spielstätte des Kabaretts Distel, erhalten bleibt. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» wertet die Abrissklausel als Alarmzeichen einer fortschreitenden «heimlichen Entmachtung des Denkmalschutzes» in Zeiten des Spardiktats. Nicht wegzudiskutieren ist einerseits der jahrelange Leerstand der unbenutzten Spielstätte, deren prominente Lage offensichtlich die nötigen Sanierungskosten nicht mehr aufwiegen kann. Andrerseits kann man heute sagen, dass auch die Schliessung des Metropoltheaters nichts an der Misere der Berliner Bühnen änderte und der Verkauf des Grundstückes kaum mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein der Berliner Finanzmisere sein wird. Der neoklassizistische, reliefverzierte Bau aus dem Jahr 1910 (Architekten: Heinrich Schweitzer, Wilhelm Cremer & Richard Wolffenstein), der eine im Zentrum Berlins selten gewordene Architekturepoche vertritt und einen Blickfang in der gläsernen Traufhöhen-Ödnis der Friedrichstrasse bietet, wird dann aber verloren sein. Böse Zungen erkennen darin schlicht den hauptstädtischen Lauf der Dinge: Was Berlin heute abreisst, so glauben sie, wird es in fünfzig Jahren kritisch rekonstruieren.

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