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Architektonische Inflation
Neue Zürcher Zeitung

Neue Bauten von Herzog & de Meuron

12. Mai 2003 - Roman Hollenstein
Es ist noch gar nicht lange her, da machte uns das Ansehen der Schweizer Architekten im Ausland fast ein wenig stolz. Als dann aber Botta bald in Tokio, San Francisco oder Athen Neubauten einweihen konnte, gewöhnten wir uns schnell an die Erfolge, und der Tessiner wurde von den Basler Künstlerarchitekten Herzog & de Meuron als Medienliebling abgelöst. Nun darf jedoch - so scheint es - kaum mehr eine Woche vergehen ohne Neuigkeiten vom Rheinknie: Auf die Fertigstellung der Tate Modern folgten die Rue-des- Suisses-Wohnhäuser in Paris, das Rehab und das «Joggeli» in Basel, aber auch Aufträge in Spanien, eine Retrospektive in Montreal sowie die siegreichen Projekte der Münchner Allianz-Arena und des Nationalstadions in Peking (wo Botta übrigens ein Museum bauen soll).

Die immer wieder anders in Erscheinung tretende und daher medial hochwirksame Architektur von «HdeM» könnte das Feuilletonpublikum aber bald ermüden, sollen doch nur kurz nach dem zartfarbenen Laban Centre in London weitere hochkarätige «HdeM»-Bauten eröffnet werden: am 25. Mai das einem neuartigen Museumskonzept verpflichtete Schaulager in Basel, am 7. Juni im schicken Aoyama-Quartier von Tokio der zwischen einem Kristall und einer Bienenwabe oszillierende «Epicenter Store» des Modehauses Prada und Ende Sommer die Erweiterung des Kunsthauses Aarau, dem später die Universitätsbibliothek in Cottbus und ein Geschäftsbau in Basel folgen.

Zumindest hierzulande wird das Basler Kunstlager alles andere überstrahlen. Dabei liesse sich gerade am Beispiel des Prada-Hauses darüber nachsinnen, wie längst selbst zur Marke gewordene Architekturbüros sich immer häufiger für das Branding von zeitgeistigen Projekten - vom Mode- bis zum Musentempel - einsetzen lassen und so dank wachsender Nachfrage letztlich die baukünstlerische Inflation anheizen. Dass dies früher oder später zum Problem für das Luxuslabel «HdeM» werden könnte, zeigte jüngst der Helvetia-Patria-Neubau in St. Gallen, der in den Schweizer Medien auf wenig Resonanz stiess. Doch dieser heimische «Botta-Effekt» muss vorerst die Basler wenig schrecken: Dank dem spektakulären Modejuwel in Tokio, dem De Young Museum in San Francisco und dem Forum 2004 in Barcelona, die alle der Vollendung entgegengehen, dürften die Global Player aus der Schweiz in Zukunft ohnehin vermehrt vor einer internationalen Fangemeinde spielen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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