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Grün ist des Lebens goldner Baum
Der Standard

Die Landschaft verstädtert - doch wer kümmert sich um die Räume zwischen den Häusern? Die Zunft der Landschafts- und Gartenarchitektur wird künftig einiges zu tun haben, politischer Wille vorausgesetzt.

8. April 2006 - Ute Woltron
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat es soeben amtlich gemacht. „Im Grün“, schrieb er in das Garten-Poesiealbum der ÖVP, „ruhen Gelassenheit und Harmonie, und die Buntheit der Blüten und Früchte erinnert an die Vielfalt des Lebens.“ Der Regierungschef offenbarte sodann nicht ohne Schmelz: „Auch meine Freunde und ich haben solche Kraftoasen, die wir als Herzensanliegen hegen und pflegen.“

Herzensanliegen sind wichtige Dinge. Doch abseits privater Lustgärtchen, deren Hege und Pflege - etwa mittels gekonnten Rosenschnitts, wie ihn Nationalratspräsident Andreas Khol so fotogen im Buch Garten. Leben. Gartentipps von Wolfgang Schüssel und Freunden vorexerziert - frei von öffentlichem Interesse ist, liegt ein weites und streckenweise durchaus ödes Land Österreich. Die Vielfalt des Lebens gestattet es, an dieser Stelle eine Ausweitung der Harmonie zwischen den Häuserfronten anzudenken: eine raumgreifende Ausweitung, die auch vor denjenigen, die von den nunmehr geouteten Gartenpoeten der Bundesregierung regiert werden und keine privaten Kraftoasen eignen, nicht Halt macht.

Fakt ist: Es gibt eine Welt zwischen Häusern und Privatgärten, die heißt Freiraum und stellt ein weites Betätigungsfeld für Landschaftsplanung, Landschafts- und Gartenarchitektur - und nicht zuletzt die Politik als diejenige, die den Rahmen dafür steckt, dar. Denn im besten Fall endet die Architektur nicht mit den Außenmauern von Bürotürmen und Wohnanlagen, sondern setzt sich in Wegen, Plätzen, Erholungszonen, in Kinderarealen und Jugendlichenrefugien und anderen sinnvoll gestalteten und benutzbaren Freiräumen fort.

Doch Achtung: Die Rede ist hier nicht von partiellen feschen Stiefmütterchenrabatten, sondern von einer nutzergerechten, praktischen, pflegeleichten und durchgrünten Gestaltung großer und nach Möglichkeit zusammenhängender Landschaften, die in anderen Ländern als ausgeweitete Wohnzimmer der Stadt- und auch Landbewohner bewertet werden. Diese Kultur des gut gestalteten Freiraums hat sich Österreich derzeit noch nicht einmal annähernd flächendeckend erarbeitet. Die wichtige Disziplin der Freiraumplanung und -architektur ist politisch und gesetzlich völlig unzureichend verwurzelt, was sich langfristig radikal ändern muss, will das sich städtisch verdichtende Land abseits der touristisch gepflegten Trampelpfade nicht im verhüttelten Gstättenwesen verstrüppen.

Zum Umdenken aufgerufen sind allerdings nicht nur die ohnehin offenbar kollektiv dem Grünfieber erlegenen Gesetzesgeber, sondern auch Auftraggeber wie etwa Wohnbauer und deren Architekten: Die Grünräume zwischen den Häusern funktionieren nur, wenn Raumplaner und Gartenarchitekten wie in den Niederlanden, Spanien und auch Deutschland von Beginn an bei der Planung von Wohnanlagen, neuen Stadtteilen et cetera mitmischen und gemeinschaftliche Konzepte noch vor Spatenstich das Ziel des Unterfangens darstellen.

Die Wiener Landschaftsplanerin Anna Detzlhofer ortet zwar ein in letzter Zeit „gesteigertes Anforderungsprofil“ in Sachen Grünraum, vermisst aber den „politischen Druck“ sowie die öffentliche Debatte zur Thematik: „Gärtnerisch ausgestalten heißt für die meisten Bauträger immer noch: eine Wiese anlegen und drei Büsche pflanzen.“ Was fehle, seien den einzelnen Bauplätzen übergeordnete Konzepte, auf dass sich - nur zum Beispiel - sinnvolle zusammenhängende Wegenetze ergeben.

Auch Kollegin Karin Standler meint: „Die Politik hat großteils noch kein Auge für die Problematik.“ Man sei einfach „noch nicht so weit“, weshalb sie selbst ihre Aufträge in öffentlichen Räumen aktiv suche, indem sie Defizite ausmache und bis hin zur Finanzierung und Realisierung mit den offiziellen Stellen verhandle. „Architektur und Landschaftsarchitektur“, so Standler „werden immer noch getrennt voneinander betrachtet, was einen groben Irrtum darstellt. Dieses additive Denken - erst entsteht die Architektur, dann folgt die Landschaftsarchitektur - hat keine Zukunft, und es bringt nichts, wenn Architekten wenige Tage vor Abgabe eines Entwurfs Landschaftsplaner darum bitten, halt ein paar Bäume in den Plänen einzuzeichnen.“

Landschaftsplanerin Doris Haidvogl schlägt in dieselbe Kerbe: „Die Bauträger sind mittlerweile draufgekommen, dass sich jedes Projekt besser verwerten lässt, wenn, salopp formuliert, grüne Dinger herumstehen.“ Und die jungen Kollegen von „bauchplan“ formulieren ihr Anliegen so: „Wir verstehen unsere Aufgabe darin, auf unterschiedlichsten Maßstabsebenen Raum für die Nutzung durch den Menschen zu strukturieren und zu gestalten, um Lebensqualitäten aufrechtzuerhalten, zu implizieren, zu verbessern.“

Das Leistungsspektrum der Profis ist ein außerordentlich breites. Es reicht von der Planung von Privatgärten bis hin zur Gestaltung von Straßenräumen und Parkflächen, Wanderwegen, Fitnessanlagen im Grünen. Sie können mit Flächen für Arten- und Biotopenschutz genau so umgehen wie mit ebenjenen oft so grässlich hilflos bewachsenen Freiflächen rund um Wohnbauten und öffentliche Gebäude. Sie wissen, wo welche Pflanzen gedeihen, wie man Erdbewegungen managt, welche Grünanlagen viel, welche weniger Arbeit machen - und entsprechende Kosten erfordern.

Während hier zu Lande Wohnbauträger im Schnitt magere 30 Euro Herstellungskosten pro Quadratmeter Grünfläche veranschlagen, liegt der Vergleichswert in Deutschland bereits bei rund 100 Euro. Was die Erhaltung anlangt, ist Doris Haidvogl pragmatisch: „Betonierte Flächen müssen auch gekehrt und schneegeräumt werden.“ Ein echtes Problem stellt allerdings der Vandalismus im öffentlichen Raum dar, gegen den kaum ein Kraut gewachsen ist. Doch, so Detzlhofer: „Ein gewisses Ausmaß an Gestaltung schafft auch Verhaltenssicherheit.“

Für Landschaftsarchitekten hat die Gegend Zimmer, in denen sich die unterschiedlichsten Menschen mit unterschiedlichsten Aktivitäten aufhalten. Um diese Botschaft unters Volk zu bringen, gibt es diverse Aktivitäten: Erst vergangenes Wochenende fand in Wien der internationale Kongress „Grow“ statt. Am 27. April gibt es an der Universität für Bodenkultur ein Symposium mit Titel „X-LArch 2 - landscape-X-periments“, initiiert vom Institut Landschaftsarchitektur. Und ebenfalls von der Zunft selbst angeregt wurde der erste international ausgeschriebene Garten-Preis „private plots & public spots“ (siehe auch Natur auf Seite 21). Maßgebliche Unterstützung erhielten die Initiatoren seitens der in Sachen Natur bereits erfreulich aktiven Niederösterreichischen Landesregierung.

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