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Architekt der Architekten
Neue Zürcher Zeitung

Zum Tod von Kazuo Shinohara

19. Juli 2006 - Hubertus Adam
Zu den populären Medienstars der Architektur hat Kazuo Shinohara nicht gehört: Dazu sind seine Bauten zu intellektuell, zu tiefgründig. Der 1925 geborene Japaner ist einer jener Architekten geblieben, die vor allem auf andere Architekten gewirkt haben. Entwerfer der mittleren Generation wie Toyo Ito und Kazuo Sejima haben von seinen Ideen gelernt, andere - wie Itsuko Hasegawa - bei ihm studiert. Ab 1970 unterrichtete er am Tokyo Institute of Technology, der Universität, deren markante Century Hall (1987) mit ihrem bekrönenden Halbzylinder als seine wichtigste spätere Arbeit gilt.

Kleine Einfamilienhäuser waren es, die Shinoharas Ruhm begründeten. Zunächst hatte sich der Architekt mit der fernöstlichen Tradition auseinandergesetzt: Das Haus in Kugayama (1954) wurde von Kritikern als eine Synthese aus der Formenwelt des Katsura-Palastes sowie derjenigen Mies van der Rohes verstanden; das «House in White» (1966) wirkt wie die Abstraktion eines japanischen Tempels. Shinohara reiste in den jungen Jahren nicht nach Europa oder in die USA. Er adaptierte die westliche Moderne als ein intellektuelles Konzept. Eine Auseinandersetzung mit den Prinzipien von Form, Geometrie und Raum bestimmte Shinoharas Schaffen; von klaren Strukturen der Anfangsjahre gelangte er zu zunehmend komplexeren Strukturen.

Bedeutung erlangte der Architekt überdies als Theoretiker, wobei er sich auch der «progressiven Anarchie» des Tokioter Urbanismus widmete. In den neunziger Jahre hat Shinohara seine Bewunderer nicht zuletzt unter jungen Schweizer Architekten gefunden. Ein von Christian Kerez herausgegebener Textkorpus soll Ende 2007 erscheinen. Am vergangenen Samstag ist Kazuo Shinohara im Alter von 81 Jahren in Kawasaki gestorben.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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