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Neue Zürcher Zeitung

Schweizer Architektur in Berlin

25. August 2006 - Claudia Schwartz
Den Abschied von der Kiste in der Schweizer Architektur feiert eine Berliner Ausstellung unter dem Titel «Swiss Shapes» in der Galerie Aedes am Pfefferberg. Nach der Grundthese der Ausstellungsmacher hat die «Swiss Box» die Schweizer Architektur in eine baukünstlerische Sackgasse geführt, aus der sie nun dank einer Tendenz zu mehreckigen Grundrissen wieder herausfindet. Wenngleich die Neue Einfachheit der Architektur Ende der achtziger Jahre in der Schweiz einen ausgesprochen radikalen Weg ging, so war sie doch kein eidgenössischer Sonderfall. Die Schau lässt zudem sowohl die regionalen Unterschiede ausser acht, die den Schweizer Minimalismus der neunziger Jahre von Graubünden bis Basel auszeichnet, wie auch den Beweggrund der minimalistischen Tradition, die eine Antwort auf gestalterische Beliebigkeit suchte.

Der Minimalismus als Defizit dient folglich als Folie, um einer ominösen Entwicklung «von der Oberfläche hin zum Raum» nachzuspüren - weg vom ästhetischen Mittel der Reduktion hin zum neuen schiefwinkligen architektonischen Paradigma («Swiss Shapes»). Als Beispiele dienen etwa das interkantonale Gymnasium Payerne des Freiburger Teams Mattias Boegli und Adrian Kramp oder ausgerechnet der nicht wenig problematische Entwurf des Basler Büros Christ und Gantenbein fürs Zürcher Landesmuseum. Der verengte Blick bestimmt übrigens auch die Auswahl der Präsentation: Die Romands und die Tessiner werden hier kurzerhand übergangen. Massgebliche Handschriften der jüngeren Schweizer Gegenwartsarchitektur wie Buzzi & Buzzi aus Locarno und Giraudi Wettstein aus Lugano bleiben unberücksichtigt. Damit verpasst man in Berlin die Gelegenheit, die vorgestellten Projekte zumindest im Schweizer Kontext zu diskutieren.

Eine zweite Ausstellung bei Aedes widmet sich unter dem Titel «Zurich happens» dem städtebaulichen Wandel der Limmatstadt in den Industriegebieten. Die entsprechenden Umnutzungsprojekte in Zürich Nord und Zürich West werden vorgestellt unter Gesichtspunkten der Stadtentwicklung, des Entwurfs, der Planung und Umsetzung: ein informativer Ausblick auf eine umfangreiche Analyse und Dokumentation zum Thema, die 2007 abgeschlossen sein soll.

[ Beide Ausstellungen bis 24. September. Katalog: Swiss Shapes / Zurich Happens. Hsrg. Kristin Feireiss und Hans-Jürgen Commerell. Galerie Aedes, Berlin 2006, Euro 10.-. ISBN 3-937093-70-2. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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