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Wie viel Mehr verträgt der See?
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Der Wörthersee muss boomen. Konzepte für die Bebauung, Auflagen gar, wozu? Wann wird der letzte freie Fleck am See privatisiert sein?

27. August 2006 - Karin Tschavgova
Als Kind zur Sommerfrische am See. Jahrzehnte später, auf dem Weg gen Süden, ein nostalgisch- neugieriger Blick auf den Wörthersee, dort, wo Lärmschutzwände nicht den Blick verstellen. Medienberichte über Großinvestitionen von Bauunternehmern und Industriemagnaten lassen darauf schließen: Der See muss boomen, der Tourismus neuen, rosigen Zeiten entgegensehen, denn kein Investor würde auch nur einen Euro in eine Region bringen, der keine Zukunft prognostiziert wird.

Tatsächlich bleiben die Auswirkungen des Baubooms nicht verborgen. Unübersehbar frisst sich am südlichen Ortsrand von Velden ein Kahlschlag den sonst dicht begrünten Hang hinauf. Die deutlich auszumachende Grenzlinie über der Bebauung wurde hier deutlich überschritten. Während die umliegenden Bestandsbauten hinter Baum- und Strauchwerk zurücktreten, stehen die mehrgeschoßigen Punkthäuser der hier entstehenden Appartementanlage wie auf dem Präsentierteller - baum- und maßstabslos - in einer architektonischen Qualität, die kaum über die des sozialen Wohnbaus hinausgeht. Hoffnung, dass derartige Wunden zumindest begrünt werden und einwachsen, besteht kaum, denn Anlagen wie diese, die kaum gewerbliche Ferienwohnungen, sondern vorwiegend Zweitwohnsitze enthalten, werden mit dem Anreiz des Seeblicks vermarktet.

Fährt man das Südufer entlang, das touristisch weniger aufgeschlossen ist, weil der nahe Pyramidenkogel eine Verbauung an vielen Stellen unmöglich macht und die Nordlagen der Ufer früh beschattet sind, so stößt man immer wieder auf Bautafeln für neue Wohnanlagen wie etwa im Dorf Auen. Mit sogenannten Seevillen, eng nebeneinander stehenden Einzel- und Doppelhäusern, die zu Höchstpreisen angeboten werden, wird die Uferzone bis knapp ans Wasser verbaut - auf aufgeschüttetem Terrain, abgetreppt mit überhohen Mauern aus groben Wasserbausteinen, ohne erkennbares Freiraumkonzept und offenbar auch ohne Widmungsauflagen.

Im Zuge zunehmender Deregulierung, heißt es im vom Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer 2005 vorgelegten Weißbuch Tourismus Kärnten, obliegt die Raumordnung immer mehr den Gemeinden, was zwar der Verfahrensvereinfachung dienen mag, sich jedoch negativ auf die räumliche Entwicklung einer Tourismusregion auswirkt.

Die negativen Auswirkungen einer zu großen Zahl anlassbezogener Umwidmungen, wenn Hotels wie in Auen Appartementanlagen weichen und aus Frühstückspensionen in Jahrhundertwende-Villen private Sommerwohnsitze werden, sind für den Landschaftsraum als touristisches Kapital und für die Wirtschaft absehbar. Letzte freie Flächen am See werden verbaut, die wenigen verbliebenen Möglichkeiten eines freien Seezugangs vergeben. Gewerbliche Tourismusbetriebe sind nicht überlebensfähig, wenn die Anzahl der „kalten Betten“ überhand nimmt. Durch deren private Vermietung entsteht „Konkurrenz- beziehungsweise Komplementärverhalten zu den gewerblichen Beherbergern“ (Weißbuch).

Der Bürgermeister von Maria Wörth scheint vom Erfolg des Konzepts euphorisiert, mit dem das ehemalige Hotel Astoria in ein Kur(en)hotel umgebaut wurde, wenn er davon träumt, dass das Südufer zwischen Sekirn und Dellach ganzjährig zur Gesundheitsmeile werden soll. Dazu braucht es nicht nur einen Imagewandel weg vom GTI-Rennen, sondern auch Konzepte, die dem Vorhaben Erfolg und der Gemeinde wie den Tourismusbetrieben Einnahmen sichern. Wer allerdings Bodenpolitik ohne einschränkende Auflagen, wie die Erhaltung der Uferzugänglichkeit für die Allgemeinheit, betreibt, wird später nicht einmal eine Laufmeile den See entlang errichten können.

Entgegen den Empfehlungen im Weißbuch Tourismus, vorausschauend wertvolle Flächen und Immobilien über einen seitens der Politik einzurichtenden „Touristischen Flächensicherungsfonds“ aufzukaufen, um Entwicklungsmöglichkeiten und steuernde Wirkung nicht aus der Hand zu geben, wurde vom Maria Wörther Gemeinderat ein 6,5 Hektar großes, zum Schloss Reifnitz gehörendes Grundstück umgewidmet und mit höherer Baudichte aufgewertet, bevor es samt Schloss günstigst an Frank Stronach verkauft wurde. Dieser legte ein Hotelprojekt vor, das mit 80 Meter langen, fünfgeschoßigen Trakten mönströs überdimensioniert war, vom Konsulenten des Landes für Raumordnung ob der Sensibilität des Bauherrn im Umgang mit Natur und der Kreativität des kanadischen Architekten jedoch gelobt wurde. Der vorläufige Erfolg einer Revidierung und Verkleinerung des Projekts ist den Protesten einer Bürgerinitiative zu verdanken. Absehbar ist, dass seine unfreiwillig karikierende, spekulative Architektur „im Stile der klassischen Wörtherseearchitektur der Jahrhundertwende“ nicht verhindert werden wird.

Für die Sicherung architektonischer Qualität hat man sich entschieden, als man 2004 einen internationalen Wettbewerb zur Erweiterung des früheren Veldener Schlosshotels ausschrieb. Jabornegg&Palffy konnten mit einem städtebaulich überzeugenden Entwurf gewinnen. Im Frühling nächsten Jahres soll das Fünf-Sterne Hotel mit Wellnessbereich und vorerst 25 von 56 im Park errichteten Appartements fertig sein.

Exklusivität und Luxus sind Stichworte, mit denen alle neuen seenahen Quartiere beworben werden. Die angesprochene Klientel ist vermögend, trägt jedoch kaum zur Stärkung der touristischen Infrastruktur bei, da bis heute keine Abgaben für Zweitwohnsitze eingehoben werden. Nutznießer ihrer Kaufkraft sind wenige. Gated Communities wie das Hotel Schloss Seefels mit einer durch Schranken gesicherten Appartementanlage machen deutlich, dass man unter sich bleiben will.

Im Weißbuch wird die Frage, ob bei der künftigen Infrastrukturentwicklung der Schwerpunkt bei der Entwicklung von Großprojekten oder in der regionalen Aufrüstung bestehender Strukturen liegen soll, mit der Präferenz für Letzteres beantwortet. Es wird empfohlen, sich der Mehrheit preisbewusster Gäste zu besinnen, die nicht den Billigurlaub, aber ein leistbares Qualitätsangebot wünschen. Weil es dem vorwiegend kleinstrukturierten Tourismus nicht nur an Kapital, sondern auch an synergetischen Ideen fehlt, wird ein Konzept der „Friendly Beds“, ähnlich dem britischen „Bed and Breakfast“, vorgeschlagen, das Qualitätsstandards und gemeinsames Marketing fördern soll.

Es gibt sicher mehr als ein erfolgversprechendes Konzept. Wer jedoch gutheißt, dass der politische Handlungsspielraum größer ist, solange keine verbindlichen Richtlinien für die räumliche Entwicklung existieren, und glaubt, dass dies der Gesundung des Wörthersee-Tourismus dient, denkt kurzsichtig. Denn wenn erst die letzten hochwertigen Flächen am See durch Spekulanten verbaut und Seezugänge privatisiert sind, dann wird es weder Ressourcen für Strategien der Tourismusentwicklung geben noch Handlungsspielraum für ein erfolgreiches regionales Entwicklungsprogramm.

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