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Bedrängtes Baudenkmal
Neue Zürcher Zeitung

Erweiterung des Kunstmuseums Bern

5. Januar 2007 - Roman Hollenstein
Das Weiterbauen im Bestand zählt zu den anspruchsvollsten architektonischen Aufgaben unserer Zeit. Es kann Baukünstler zu Höchstleistungen anspornen - oder aber scheitern lassen. Im Wettbewerb für die Erweiterung des Kunstmuseums Bern um einen neuen, der Gegenwartskunst gewidmeten Flügel wagte der 37-jährige Basler Cédric Bachelard den Dialog auf gleicher Augenhöhe mit Eugen Stettler, dem Architekten des 1879 eröffneten Altbaus. Dabei ignorierte Bachelard, dass es sich hier um ein Meisterwerk der Schweizer Beaux-Arts-Architektur handelt. So setzte er sich - anders als die übrigen Teilnehmer - mit seinem blinden, skulpturalen Anbau, der wie ein schwerer Rucksack am Stettler-Bau hängt, über die denkmalschützerischen Vorgaben hinweg. Auch wenn er die reich gestaltete Rückfassade in die Ausstellungsräume einbezieht, zerstört er doch die Gesamtwirkung des Gebäudes. Er nimmt ihm ausserdem das Tageslicht und bietet unruhige, mit zeitgenössischen Exponaten nur schwer zu bespielende neue Räume.

Doch ob sein Entwurf umgesetzt wird, ist ungewiss, denn Denkmalpflege und Heimatschutz dürften dem bedrängten Bau von nationaler Bedeutung zur Seite stehen. Da hätte die Jury wohl besser das zweitrangierte Projekt «Scala» der jungen Tessiner Nicola Baserga und Christian Mozzetti gekürt. Es geht auf Distanz zum Altbau und schafft zudem Platz für einen Skulpturenhof. Eine Passerelle verbindet das Museum mit einem schmalen, zum Hauptgebäude und zur Aare hin transparenten Glasbau, dem einzigen sichtbaren Teil der Erweiterung. Von dort führt eine lange, kaskadenartige Treppe fast wie in Renzo Pianos Beyeler-Museum hinunter zu den beiden in den Hang eingebetteten, frei unterteilbaren Ausstellungsebenen und lässt zugleich Tageslicht in die Tiefe fluten. - Den Verantwortlichen möchte man empfehlen, im Sinne eines (bereits von Yoshio Taniguchi bei der MoMA-Erweiterung vorgezeigten) neuen Realismus in der Museumsarchitektur und aus Respekt vor dem Altbau den Entwurf «Scala» weiterzuverfolgen. Denn das allzu selbstbewusste Siegerprojekt weckt Widerstand und damit die Gefahr, dass Bern noch lange nicht zu seinem Haus für Gegenwartskunst kommen wird.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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