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Wohnzelle für Einsiedler, Asketen und Jäger
Der Standard

Ein Penthouse der anderen Art aus Tirol: Das Experiment, auf wie wenig Raum wie viel Funktion Platz haben kann, dürfte bei der „Mini Box“ ziemlich ausgereizt sein.

20. Oktober 2001 - Franziska Leeb
Wer die Qualität einer Wohnung von ihrer Größe mitabhängig macht, dürfte mit der kompakten Holzschachtel keine Freude haben. Die Schöpfung der Innsbrucker Architekten von der Gruppe Holz Box Tirol ist nämlich die kleinste vorstellbare Wohneinheit.

Den effizienten Umgang mit Raum haben die mittlerweile auf Holzsystembau spezialisierten (aber durchaus nicht fixierten) Planer bei zahlreichen Projekten trainiert. Und da sie alle miteinander keine Kinder von Traurigkeit sind, werden manchmal auch schrägere Gedanken verfolgt und - weil aus Spaß auch Ernst werden kann - ausgeführt. So geschehen zum Beispiel mit einer Minimalwohneinheit über den Dächern von Innsbruck.

Aus dem Obergeschoß des Dachbodenausbaus, in dem die Architekten ihrer Arbeit nachgehen, führt ein schmaler Steg auf das Miniaturhäuschen auf dem Liftturm. Reduziert auf das Wesentliche, bietet der Würfel alles, was zu einer kompletten Wohnung gehört. Dunkelbraune Betonschalungsplatten sorgen für die robuste Schale, Lärchenholzbretter für ein heimeliges Ambiente. Elektrischen Strom gibt es in der Erstausführung noch keinen.

Für harte Tiroler Wintertage ist das Kabäuschen dennoch gerüstet. In dem Tisch zwischen den beiden Klappbänken ist ein Ofen integriert. Während in der Mitte der Speck brutzelt, kann auf den ausklappbaren Tischbrettern - unter denen wiederum eine Blechwanne als Stauraum für Kleinzeug angebracht ist - schon das Brot angeschnitten werden. Öffnungen gibt es dort, wo man sie braucht, und zwar nicht zu knapp.

Ein Lichtband zieht sich von der Mitte der Decke über die Rückwand, der Bereich des Essplatzes ist bis zum Boden verglast. Drei nicht klaustrophobische Personen können in der Box nächtigen. Sanitäre Ansprüche können natürlich auch erfüllt werden. Im Schrank neben der Tür hat eine Dusche Platz, ein aus dem Stauraum daneben herausziehbares Camping-WC kann auch eingebaut werden. Liegen die Holzplatten zugeschnitten parat, können die Boxen innerhalb kürzester Zeit fix und fertig produziert werden.

An den Transport wurde ebenfalls gedacht: Von den 2,60 x 2,60 x 2,60 großen Einheiten passen drei Stück auf einen Tieflader, und sollten sie ins Hochgebirge transferiert werden, liefert der Hubschrauber. Viel Funktion auf wenig Raum, Lowtech mit hoher Effizienz, und dann noch schnell verfügbar, sobald eine logistische und produktionstechnische Grundstruktur etabliert ist. Damit wäre die Wohnschatulle aus Tirol auch für Einsätze in Katastrophengebieten geeignet.

Im Moment dient sie als gut vom Bürobetrieb abgeschirmter Satellit des Architektenateliers ruhebedürftigen Kollegen als Rückzugsort zum ungestörten Lesen, Meditieren oder Entwerfen. Beim Tiroler Holzbaupreis wurde die außergewöhnliche Schöpfung mit einem Sonderpreis in der Kategorie „Vision“ bedacht. „Gerade in dieser Minimierung kann der Werkstoff Holz seine Qualitäten ausspielen und eine Poetik des Raums erzeugen“, hieß es in der Begründung.

In den Preisrängen diverser Holzbaupreise ist das Tiroler Büro mittlerweile Fixstarter. Für eine Einfamilienhaus-Büro-Kombination bei Klosterneuburg erhielt es den Niederösterreichischen Holzbaupreis. Wichtig: Auch wenn der erste Prototyp der Minimalversion als Krone des Liftturmes etwas skurril erscheinen mag - das Minibox-System ist durchaus sinnvoll, und seine Einsatzmöglichkeiten vielfältig. In Schrebergärten könnte die schlichte dunkle Box im Vergleich zu den pummeligen Häuseln mit Pudelhaubendach ebenso für optische Beruhigung sorgen wie auf Campingplätzen. Gute Dienste kann das rasch aufzubauen- de Minimal-Maximal-Modul auch als Biwak-Schachtel oder Jagdhütte leisten.

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