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Tropische Moderne
Neue Zürcher Zeitung

Kolonialarchitektur in Indonesien - eine Rotterdamer Ausstellung

9. Februar 2007 - Hubertus Adam
Der koloniale Architekturexport nach Übersee ist eines der Themen, mit denen sich die Architekturhistoriographie in den vergangenen Jahren verstärkt beschäftigt hat. So sind exzellente Bildbände erschienen, welche die britische Kolonialarchitektur in Indien dokumentieren, und die jüngste Wiederentdeckung stellt das von den italienischen Faschistischen ausgebaute Asmara in Eritrea dar (NZZ 11. 10. 06). Inzwischen wird ein Antrag vorbereitet, dieses herausragende Ensemble von Bauten der Moderne als Unesco-Weltkulturerbe einstufen zu lassen.

Eine Ausstellung im Nederlands Architectuur Instituut (NAI) in Rotterdam widmet sich nun unter dem Titel «Moderniteit in de Tropen» den niederländischen Hinterlassenschaften in Indonesien. Niederländisch-Ostindien war unter der Ägide der Vereinigten Ostindischen Kompanie gegen 1600 in den Besitz der einstigen Kolonialmacht geraten; von der Ausbeutung durch das Mutterland zeugt eindrücklich der 1860 erschienene Roman «Max Havelaar» des unter dem Pseudonym Multatuli bekannten Autors Eduard Douwes Dekker. Der das heutige Indonesien bildende Archipel blieb bis 1949 unter niederländischer Herrschaft. - Die Rotterdamer Ausstellung stützt sich weitgehend auf Archivmaterialien des NAI und ist nicht auf einzelne Architekten konzentriert, sondern nach Bauaufgaben gegliedert. Verfolgte man im Verwaltungsbau eher eine klassisch-repräsentative Formensprache, so vereinen manche der von holländischen Architekten errichteten Villen die Bautradition Indonesiens mit den auch in den Niederlanden virulenten Inspirationen durch Frank Lloyd Wright. Dies zeigt sich besonders im Werk des in Batavia und Bandoeng vielbeschäftigten Architekten F. J. L. Ghijsels. Eine Entdeckung ist auch A. F. Aalbers, der Vertreter von Art Déco und Stromlinien-Ästhetik in Niederländisch-Ostindien.

Begleitet wird die Schau von einer Publikation mit lesenswerten Essays, die unter anderem auch den Kulturtransfer in umgekehrter Richtung thematisieren. Denn die vernakuläre Baukunst der Kolonien inspirierte nachweislich die Architekten der «Amsterdamer Schule». Andererseits trafen in Indonesien so viele kulturelle Einflüsse aufeinander, dass nicht klar festzulegen ist, was typisch indonesisch ist. Was auch für die Niederlande gilt: Denn was ist typisch holländisch?

[ Bis 22. April. Begleitpublikation: The Past in the Present. Architecture in Indonesia. Hrsg. Peter H. M. Nas. NAI Publishers, Rotterdam 2007. 288 S., Euro 47.50. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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