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Barocke Pracht
Neue Zürcher Zeitung

Das renovierte Zeughaus in Mannheim

17. Februar 2007 - Roman Hollenstein
Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ging die einstige Residenzstadt Mannheim unter. Weil daraufhin - im Eifer des Wiederaufbaus - zerstört wurde, was noch zu retten gewesen wäre, besitzt die Stadt am Rhein heute nur mehr wenige Baudenkmäler. Darunter befindet sich ein Juwel: die in einem zwischen Jugendstil und Expressionismus oszillierenden Neuklassizismus auftrumpfende Kunsthalle von Hermann Billing. Sonst aber vermag die Architektur des 20. Jahrhunderts kaum zu begeistern: weder die als neues Stadttor inszenierte Doppelturmanlage von Max Dudler beim Hauptbahnhof noch Richard Meiers spröd- klinischer Neubau des Warenhauses Peek & Cloppenburg, das vom 8. März an einen Hauch von Noblesse in die Heidelbergerstrasse bringen soll. Wenn Mannheim in jüngster Zeit dennoch etwas Glanz zurückgewonnen hat, so ist dies den Restaurationen und Rekonstruktionen des barocken Erbes zu verdanken: Das Schloss atmet wieder Grösse, die Renovation der Jesuitenkirche schreitet zügig voran, und rechtzeitig zur Vierhundertjahrfeier der Stadt konnte soeben das ehemalige Zeughaus eröffnet werden.

Der 1778 am Übergang vom Spätbarock zum Frühklassizismus von Peter Anton von Verschaffelt realisierte Stadtpalast war zwar nach dem Krieg notdürftig als Museum wiedererrichtet worden. Doch erst jetzt, nachdem die Berliner Architekten Pfeiffer, Ellermann und Preckel die Fassaden saniert und das steile Walmdach mit den Gauben rekonstruiert haben, darf sich das Zeughaus als neuer Hauptsitz der Reiss-Engelhorn- Museen sehen lassen. Dank der rund 17 Millionen Euro teuren Sanierung bietet es jetzt auf sechs Geschossen gut 6000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. In einem historischen (wenngleich wiederaufgebauten) Gebäude wähnt man sich allerdings nur in der grosszügigen Eingangshalle, in der das Frankenthaler Porzellan zu Ehre kommt, sowie im Untergeschoss, wo sich die Antike unter wirklich alten Gewölben mit einer didaktischen Schau in Szene setzen darf. Die vier Obergeschosse aber wurden in hermetisch geschlossene White Cubes verwandelt, so dass die blinde Fensterfront der noblen Hauptfassade nur dank Elisabeth Brockmanns riesiger Lichtinstallation nicht tot wirkt.

Der erste Stock ist für Wechselausstellungen reserviert; darüber finden sich Porträts, historische Kleider und angewandte Kunst. Die dritte Etage wartet mit Theater-, Musik- und Stadtgeschichte auf, und im Dachgeschoss hat das renommierte Forum Internationale Fotografie Platz gefunden. Schade nur, dass eine labyrinthartige Raumanordnung sowie das weitgehende Fehlen von Tageslicht und Ausblicken den Rundgang vorbei an den über 4000 Exponaten dieser Schatzkammer mitunter zu einem eher klaustrophoben Erlebnis machen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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