Artikel

Auf der Suche nach einer neuen Identität
Neue Zürcher Zeitung

Städtebau in Johannesburg - eine Ausstellung in der Architekturakademie Mendrisio

17. April 2007 - Roman Hollenstein
Am Anfang war der Goldrausch. Er führte 1886 auf Südafrikas kargem Hochland zur Gründung von Johannesburg. Elf Jahre später besass die Stadt bereits ein schachbrettartig angelegtes Zentrum, aber auch erste isolierte «Native Locations». Sie leiteten jene rassistisch begründete urbanistische und gesellschaftliche Trennung ein, die vor dem Zweiten Weltkrieg zur Schaffung der Soweto genannten South West Township führte. Später wurden - nicht zuletzt aufgrund sicherheitstechnischer Erwägungen - ein gigantisches Autobahnnetz und schliesslich die Überformung des Zentrums durch Hochhäuser nach amerikanischem Vorbild in Angriff genommen. Nach dem Ende der Apartheid verliessen immer mehr internationale Firmen das Geschäftszentrum.

An seiner Stelle boomt seither der im vornehmen Norden gelegene Stadtteil Sandton. Schuld an dieser Verlagerung war nicht zuletzt die wachsende Gewalt in weiten Teilen des rund 10 Millionen Einwohner zählenden Grossraums Johannesburg, der heute zehn Prozent des Bruttosozialprodukts Afrikas erwirtschaften soll. Neben Armut ist hier daher auch viel Geld vorhanden. Davon zeugen ummauerte Nobelviertel im Stil italienischer Kleinstädte oder bunter Spielzeugdörfer.

Trotz vielfältigen Problemen wird Johannesburg von Städtebautheoretikern zu den wenigen Megastädten gerechnet, die einigermassen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken dürfen. Denn anders als etwa Mexiko oder Moskau setzt die südafrikanische Metropole nicht auf ungebremste Expansion, sondern auf das sozialverträgliche Verweben des unter der Apartheid fragmentierten Stadtteppichs. Das veranschaulicht die Johannesburg-Schau, die derzeit im Rahmen einer Ausstellungsreihe über Boomstädte in der Galerie der Architekturakademie Mendrisio zu sehen ist.

Zwei Filme über das urbanistische Flickwerk von Johannesburg und die bauliche Monotonie von Soweto führen ins Thema ein. Im grossen Ausstellungssaal sind dann David Goldblatts suggestive Stadtansichten einem historischen Panorama gegenübergestellt. Das Hauptaugenmerk gilt aber zwei Dutzend architektonischen und städtebaulichen Eingriffen aus den letzten zehn Jahren, deren Ziel es unter anderem ist, soziale, politische und kulturelle Trennungen zu überwinden und den Heilungsprozess des Stadtkörpers zu beschleunigen. Grosse Bedeutung kommt dabei der Errichtung neuer Sozialbauten und der Sanierung der Armenviertel zu, wie etwa das brückenartig über den Hütten des einstigen Schwarzenghettos Alexandra erbaute Nelson Mandela Interpretation Centre von Rich Martins zeigt.

Man investiert aber auch in neue Quartiere wie Melrose Arch, ein kleinstädtisches Idyll mit Geschäften, Strassencafés, Büros und Wohnungen nach den Vorstellungen des New Urbanism, oder in postmoderne Anlagen wie den Mandela Square von Meyer Pienaar in Sandton. Zu den baukünstlerisch überzeugendsten Arbeiten gehören das Apartheid Museum in Ormonde und das Hector Pieterson Memorial in Soweto von Mashabane Rose Architects oder das durch Katte Otten Architects zum Sitz der Gleichstellungskommission umgebaute Frauengefängnis von Braamfontein. - Alle Exponate sind im attraktiven Katalog wiedergegeben, der zudem Analysen der heutigen Situation von Johannesburg bietet.

[ Bis 10. Mai (von Mittwoch bis Sonntag). Katalog: Johannesburg. Emerging / Diverging Metropolis. Hrsg. Lindsay Bremner und Pep Subirós. Mendrisio Academy Press, 2007. 173 S., Fr. 25.-. ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: