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Der Standard

Diese Woche fand in Wien eine internationale Städtekonferenz zum Thema „Waterfront Development“ statt. Was mit einem Studentenprojekt begann, könnte bald Wirklichkeit werden. Und wieder einmal heißt es: Wien an die Donau.

9. Juni 2007 - Wojciech Czaja
Als Besucher der Waterfront-Konferenz in Wien war man vergangenes Wochenende nah am Wasser gebaut. Detroit, Chicago, Boston, Vancouver und Seoul, aber auch europäische Städte wie Hamburg, Glasgow und Oslo zeigten sich von ihrer besten Seite - und präsentierten bereits abgewickelte und noch geplante Projekte, die unter dem hübschen Begriff „Waterfront Development“ bald in die Annalen des Städtebaus eingehen könnten: Die Umstrukturierungen, Revitalisierungen und fantasievollen Neunutzungen von brachliegenden Flächen waren allesamt so überzeugend gelöst, dass man sich bisweilen das Grinsen nicht verkneifen konnte.

Und Wien? Mit ambitionierten Projekten rund um den Donaukanal schaffte man in den vergangenen Jahren wahrlich Beachtliches. Hier ein Badeschiff, dort eine Strandbar, da ein paar Hochhaus-Attraktoren und nicht zuletzt der hoffentlich ernst genommene Brückenschlag aus der Feder von Gregor Eichinger, besser bekannt unter dem Namen „Trialto“. An der Donau, der stolz besungenen Mutter aller Arme und Kanäle, herrscht indes planerische Dürre. Zwar sind Donauinsel und linkes Donauufer hochwertige Naherholungsgebiete, die europaweit keinen Vergleich zu scheuen brauchen, doch die baulichen Übergänge zum großstädtischen Treiben sind bis auf wenige Ausnahmen beschämend und ergeben eine Perlenkette verspielter Chancen.

„Keine andere Domäne einer Stadt birgt so viel Potenzial für Außergewöhnliches oder Festliches wie ihre Waterfront“, sagt Alex Krieger, Stadtplanungsprofessor an der Harvard Graduate School of Design in Cambrigde, „mehr denn je und aus vielschichtigen Gründen fühlen wir uns zu ihr hingezogen.“ Krieger sinniert von neu gestalteten Waterfronts in Boston und Pittsburgh, erzählt von Schanghai und Kairo, aber auch von traurigen Zeitgenossen wie beispielsweise New Orleans oder Washington D. C.

„Das größte Problem ist, dass die Flüsse oft Barrieren sind, nicht nur zwischen den beiden gegenüberliegenden Ufern, sondern auch entlang des Flussverlaufs selbst.“ Vielerorts mangle es an attraktiven Uferpromenaden, auf denen man kilometerweit flanieren kann, an Abwechslung zwischen städtischem Trubel und Ruhe im Grünen, vor allem aber an Interaktion mit dem Wasser, sei es in Form von Wassersport oder lediglich in der Bequemlichkeit eines gemieteten Wassertaxis. Zum Teil treffe dieses Problem auch auf Wien zu.

Gemeinsam mit dem Wiener Architekten Christoph Lechner betreute Krieger in Cambridge im Wintersemester 2006/2007 den Studentenworkshop „Reconnecting Vienna to its Danube“ - ein Versuch einer Wiederannäherung an den großen Strom aus der Distanz des fernen Amerika. „In diesem Studio haben die Studenten untersucht, wie sich moderne Städte zu ihrer Waterfront ausrichten, und haben im Anschluss daran Entwürfe und Planungskonzepte für ein neues Wien an der Donau entwickelt.“ Der Output: insgesamt zwölf Entwurfsideen, die vom Einschneiden brutaler Stadtachsen bin hin zu sensiblen Eingriffen die ganze Skala an Machbarkeit und Utopie abdecken. „Einige Studenten haben Wien ganz einfach nicht verstanden, andere aber haben die Probleme dieser Stadt sehr rasch erfasst“, kommentiert Krieger die Studentenprojekte.

Für Wien interessant dürften vor allem jene Visionen sein, die entlang der Uferkante gelegentlich für Action sorgen und den scheinbar unendlich langen Treppelweg hinter dem scheinbar unendlich langen Handelkskai in unterschiedliche Teilstücke gliedern. Es geht um den richtigen Mix. „Mit Monostrukturen, die entweder nur Wohnen oder nur Shopping oder nur Büro vorsehen, werden Sie einen neuen Stadtteil niemals beleben können“, erklärt Jürgen Bruns-Berentelg, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH. Das kleine Einmaleins der Stadtplanung führt am Beispiel Hamburg jedoch zu Resultaten, die man aus Wien (vorerst) nicht kennt.

Die Grundstücke der neuen HafenCity werden nicht etwa blindlings an den erstbesten Investor verkauft, sondern wechseln den Besitzer ausschließlich über Optionsverträge. Erst nachdem die vorvertragliche Kooperation zu einem beiderseits zufrieden stellenden Ergebnis geführt hat, geht's ans Eingemachte. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Stadtplanung und Privatwirtschaft effizient zusammenarbeiten und dass zu jedem Zeitpunkt der Projektentwicklung Konsens herrscht. Zugute kommt dies vor allem einer lebendigen Erdgeschoßzone.

„Ein derartiges Regulativ gibt es in Wien nicht“, sagt der grüne Abgeordnete Christoph Chorherr, „so strukturell man bereits im Wohnbau arbeitet, so gibt es im Bürobau bis heute überhaupt keine Kontrolle seitens der Stadt. Die Büroentwicklung erfolgt ganz nach dem Motto: Ich verkaufe dir das Grundstück, und du machst, was du willst.“ Mischnutzungen nach dem Vorbild Hamburgs seien in Wien allein deshalb schon schwierig, weil die Wohnbauförderung dies gar nicht erst zulasse und weil Wohnfonds und Wirtschaftsförderungsfonds völlig getrennt agieren, so Chorherr.

Planungsstadtrat Rudolf Schicker hält kurz inne. „Für den heutigen Tag nehme ich mit, dass wir dem erstbesten Investor nicht alles zulassen dürfen.“ Man müsse sich erst die Planung des gesamten Ufers ansehen, erst dann könne man abschätzen, ob die Absichten des Investors auch wirklich förderlich sind. Unter Umständen müsse der eine oder andere Plan auch wieder ins Wasser fallen.

Wie konkret sind Schickers Absichten? „Das Projekt an der Harvard School war jetzt ein erster Impuls. Ich gehe davon aus, dass wir bereits bei der EURO 2008 wissen werden, welches Waterfront-Projekt wir als Erstes angehen werden.“ Zur Auswahl stehen punktuelle Überbrückungen des Handelskais, eine neue Marina, ein neues Schiffsterminal an der Reichsbrücke und - auch das klingt sehr konkret - ein neuer Wohnbau auf dem Gelände des Brigittenauer Bahnhofs. In Zukunft könne man sich die Donau außerdem mit herumflitzenden Wassertaxis vorstellen. Erste Gespräche seien bereits am Laufen.

Das sind hehre Ziele, die sich Wien da steckt. Spät, aber doch möchte man Johann Straußens Walzer Genüge tun und rückt an die Donaukante vor. Vorerst in Gedanken, bald vielleicht in Taten. Wie viel man mit ambitionierter und nachhaltiger - also über die Legislaturperiode hinaus denkender - Stadtplanungspolitik erreichen kann, beweist das Revitalisierungsprojekt „Clyde Waterfront“ in Glasgow. Noch vor zehn Jahren wurde Glasgow in den Medien als „höllischer Mix“ und „schlimmste Stadt Großbritanniens“ abgehandelt. Heute spricht man vom „neuen Berlin“, vom „Manhattan mit schottischem Flair“ und von der „coolsten Stadt auf der Insel“. Möge dies Ansporn sein.

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