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Mit Schirm, Spitz und Quader
Spectrum

Zwei Schlösser, zwei Konzepte: hier Pragmatik mit Sinn fürs Detail, dort ein umstrittener Glasaufbau. Zwei Umbauarbeiten zur Landesausstellung im Mostviertel.

16. Juni 2007 - Franziska Leeb
Fast alle Bundesländer wickeln mit gewisser Regelmäßigkeit und Routine an wechselnden Orten Landesausstellungen ab und erhoffen sich davon Auswirkungen auf den regionalen Tourismus. Meist gehen diese Großveranstaltungen mit Revitalisierungen sanierungsbedürftiger Baudenkmäler einher und sind deshalb auch Spiegelbilder regionaler Baukultur.

„Feuer & Erde“ lautet der Titel der heurigenNiederösterreichischen Landesausstellung imMostviertel. Schon das Thema und das gefällige Plakatsujet weisen darauf hin, dass dieMassentauglichkeit im Vordergrundsteht. „Jakob Prandtauer und sein Kunstkreis“ – Titelder ersten Landesausstellung im Jahr 1960 im Stift Melk – klang da noch sperriger. Wiereagiert die Architektur auf die Anforderungen des erlebnisorientierten Kulturtourismus? Muss sie selber zum Ereignis werden? Schließlich geht es sowohl darum, attraktive Örtlichkeiten für das temporäre Spektakel zu bieten, als auch pflegebedürftige Bausubstanz für die Nachnutzung zu rüsten.

Wie unterschiedlich das Herangehen sein kann, wird an den zwei Ausstellungsorten Waidhofen an der Ybbs und St. Peter in der Au deutlich. Die Gemeinde St. Peter lobte schon im Jahr 2000, als noch nicht feststand, dass sie die Landesausstellung „bekommt“, einen geladenen Wettbewerb aus. Übrigens war kein praktizierender Architekt in der Jury, was die Qualität des siegreichen Entwurfes aber nicht schmälern soll, sondern vielmehr ein Sittenbild der sich nur zäh bessernden Wettbewerbskultur in Niederösterreich abgibt. Gewonnen hat Johannes Zieser mit einer Lösung, die stark auf Pragmatik und Vernunft setzt, aber doch ein paar bemerkenswerte Details aufweist.

Ganz anders die Situation in Waidhofen. Erst 2004, nachdem die Landesausstellung sicher sicher war, wurde Hans Hollein mit dem Umbau des Schlosses beauftragt. Seine deutlich sichtbaren Interventionen sorgten ab Bekanntwerden der ersten Entwürfe für herbe Kritik.

Hauptanlass der Erregung ist ein gläsernerQuader, den Hollein auf den Bergfried der im19. Jahrhundert zum repräsentativen Schlossdes Fürsten Albert Freiherr von Rothschild umgebauten mittelalterlichen Burg setzte. Als gläserne „Liftkabine“ wurde der Aufbau verunglimpft, und die Welle des Unmuts brandete nochmals auf, als sich im Zuge der Realisierung herausstellte, dass die Glaskisteauf dem Turm kein rein gläserner Kristall ohne Zusatzstruktur ist, wie die Schaubilder es suggerierten, sondern eine eher normale Metall-Glas-Konstruktion. Der Aufsatz hebt sich ebenso klar von der historischen Substanz ab wie der gläserne Spitzhelm über dem Nordturm, die Außentreppe der Glasvorbau samt weit über die Ybbs auskragendem Balkon und das Eingangsgebäude.

Als wichtiges „Marketinginstrument für die Landesausstellung“ bezeichneten zuständige Politiker die markanten Elemente. Hollein selbst beruft sich darauf, dass auch der Ringstraßenarchitekt Friedrich Schmidt, der das Schloss ab 1886 für die Rothschilds modernisierte, zweckfreie Interventionen vornahm, die nicht funktional, sondern im Sinne eines künstlerischen Gesamtbildes motiviert waren. Im Inneren finden die gläsernen Zutaten ihre Entsprechung im „Kristallsaal“, einem an Wänden und Decken mit hinterleuchteten Glastafeln verkleideten Veranstaltungsraum.

Später soll das Rothschildschloss als Museum und Veranstaltungszentrum dienen. Die aktuelle Bespielung durch die Landesausstellung lässt noch keine Beurteilung zu, wie sich die spektakuläre Architektur im „Normalbetrieb“ bewähren wird. Der Glasaufbau ist jedenfalls schon jetzt eine Attraktion. Kaum ein Ausstellungsbesucher lässt sich vom Aufstieg über enge Treppen abschrecken, um dann eiligst aus dem sonnenerhitzten Glasbau – die bereits verblichenen Sonnenschutzsegel scheinen wenig Effekt zu haben – auf die Freiterrasse zu drängen. Später soll der aussichtsreiche warme Platz jedenfalls für kleinere Veranstaltungen wie zum Beispiel standesamtliche Trauungen genutzt werden, was wohl nur in der kühleren Jahreszeit wirklich Stil haben wird.

In St. Peter in der Au gibt man sich nach außen hin zurückhaltender, und auch die großen Debatten blieben (deshalb?) aus. Das Schloss hat seine Wurzeln im 13. Jahrhundert, ist im Wesentlichen aber trotz späterer Veränderungen als vierflügeliger Renaissancebau erhalten. Nach Jahrzehnten in Privatbesitz gehört es nun der Marktgemeinde und soll nach der Landesausstellung als Gemeindeamt und Veranstaltungszentrum genutzt werden.

Der wesentlichste Eingriff in die Substanz ist zugleich jener, der Johannes Zieser den Wettbewerbssieg eintrug, weil er eine gute Erschließung und sinnvolle interne Funktionsabläufe gewährleistet. Dafür wurden die überdrei Meter dicken Mauern des Bergfrieds durchgeschnitten, um an strategisch günstiger Stelle die neue Hauptstiege zu errichten. Alle neuen Einbauten sind klar als solche erkennbar, machen aber der denkmalpflegerisch wiederhergestellten historischen Substanz keine Konkurrenz. Im der Eingangshalle wurde das Flusssteinpflaster aus dem 19. Jahrhundert erhalten, aber aus bauphysikalischen und funktionellen Gründen mit einembeheizten Gussasphalt bedeckt. Glaselemente in der neuen Bodenoberfläche gewähren den Blick auf den historischen Boden.

Die spektakulärste Maßnahme ist die Überdachung des Arkadenhofs. Die Forderung des Denkmalamts nach einer die Bausubstanz möglichst marginal tangierenden Lösung führten zur Entwicklung des mit einer Fläche von etwa 600 Quadratmetern angeblich weltweit größten asymmetrischenund vollständig einfahrbaren hydraulischen Großschirms. Einfach ausgedrückt, funktioniert es wie ein umgekehrter Regenschirm. Die elf Teleskoparme des Schirms sind unterschiedlich lang, der längste 17 Meter. ZumÜberwintern werden sie in die Mittelstütze eingefahren, und die Membran wird durch eine elektrisch ausfahrbare Hülle geschützt.

Baulich änderte sich an der Außenerscheinung des Wasserschlosses zwar fast nichts. Durch die Entfernung des dicht umwucherten Zaunes ist das Schloss nun wieder im Ortsbild präsent, der neu gestaltete Park öffentlich zugänglich und der ehemalige Herrschaftssitz ein offenes Haus für alle.

Johannes Zieser hat das Schloss mit Gespür für das Unaufgeregte und einigen schönen Details revitalisiert. Umso mehr schmerzt die Nachlässigkeit, mit der außerhalb der Verantwortung des Architekten Geschmacklosigkeiten wie güldene Löwen, künstliche Blumen und sonderbares Gastronomiemobiliar das Ambiente verschandeln. Die meisten Besucher werden sich daran nicht stoßen. Aber wären nicht Landesausstellungen auch eine exzellente Gelegenheit, die Leute nicht nur dank „pfiffig verpackten“ Wissens klüger aus der Ausstellung hinausgehen zu lassen, als es hineinkam, sondern nebenbei auch seinen Sinn für Architektur und Raum zu stimulieren? Solche Schlampereien lassen auch Rückschlüsse auf die Wertschätzung zu, die dem Gebäude und seinen Besuchern entgegengebracht wird. Eventuell hat der Architektur-affine Landesrat Wolfgang Sobotka – Juror beim Wettbewerb in St. Peter und Initiator des Hollein-Projektes in Waidhofen – noch Einfluss und Leidenschaft genug, um solche Achtlosigkeiten in Hinkunft zu verhindern.

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