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Erfrischendes Baudenkmal
TEC21
24. August 2007 - Axel Simon
Das Freibad Seebach war in die Jahre gekommen. Die Architekten Hermann Kohler und Enrico Ilario erneuerten die Technik, sanierten die Gebäude und frischten die gesamte Anlage auf. Die ist nun zeitgemässes Freibad und junges Baudenkmal in einem.

Die Sport- und Freizeitanlage Seebach liegt in einer lang gezogenen Mulde des Katzenbaches und besteht aus pavillonartigen Gebäuden, die eine kunstvoll modellierte Parklandschaft begrenzen. Neben dem Heuried ist sie die grösste in der Stadt Zürich. Das Hochbauamt der Stadt Zürich plante die Anlage unter der Leitung des damaligen Stadtbaumeisters Adolf Wasserfallen zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Willi Neukom. Die Realisierung erfolgte in Etappen: 1963–1966 wurde das Freibad erstellt, 1967 das Volierengebäude in der Nähe des Badeinganges und 1968–1970 das Gemeinschaftszentrum, das die Anlage nach Westen hin abschliesst.
Das Freibad besteht aus drei Schwimm-, einem Planschbecken und vier Gebäuden: einem Dienstgebäude am Eingang mit separater Dienstwohnung, dem benachbarten Garderobengebäude sowie dem ehemaligen Restaurant am anderen Ende des Bades
mit Sportgarderoben und einem Anbau für die Filteranlage. Die Häuser huldigen einer materialbetonten Sachlichkeit. In den Worten ihres Architekten sind sie «dem Zweck der ­Anlage entsprechend architektonisch einfach gehalten und in robusten Materialien ausgeführt» – eine unaufgeregte Architektur, wie man sie heute wieder schätzt. Auskragende Flachdächer mit stark in Erscheinung tretenden Betonrippen prägen ihre ­horizontale Erscheinung. Die darunter liegenden Fassaden sind entweder aus Sichtbackstein oder aus rötlichem Sipoholz. Der nach Norden ansteigende Rasen der An-lage ist weich moduliert und von einzelnen Bäumen und horizontalen Betonbändern durchsetzt.
Die Freiräume sind im Inventar der schützenswerten Anlagen und Gärten der Stadt ­Zürich aufgeführt, die Gebäude bei der Denkmalpflege inventarisiert. Das Bad befand sich gröss­tenteils noch im Originalzustand, musste jedoch nach vierzigjährigem Gebrauch dringend instand gesetzt werden. Die Wasseraufbereitungstechnik war veraltet, Leitungen waren desolat, der Beton sanierungsbedürftig und die Kacheln der Becken defekt. Bei der Instandsetzung der Anlage galt es aber auch, funktionelle Mängel zu ­beheben, sie allgemein aufzufrischen und für heutige Bedürfnisse attraktiver zu machen.
Das mit Planung und Ausführung beauftragte Architekturbüro Kohler Ilario begann in einer ersten Phase (Winter 2004/05) mit einer vollständigen Erneuerung der technischen Anlage sowie der Becken. Hier setzten die Architekten den erneuten Einsatz bläulicher Keramik durch statt einer heute oft verwendeten Edelstahl-Oberfläche. Nach Plänen des Landschaftsarchitekten Andreas Geser wurden ausserdem Spielgeräte, Rampen und Pflanzkübel entfernt, der Baumbewuchs ergänzt, ein zusätzlicher Weg angelegt sowie die einstigen beckennahen Staudenbepflanzungen wiederhergestellt. Beim Kleinkinderbereich findet sich nun ein Wasserspiel und beim Nichtschwimmerbecken ein grosser Rutschbahnturm. Das ungenutzte Lehrbecken überdeckt ein Liegerost – so konnte hier eine Erfindung Adolf Wasserfallens vor dem völligen Verschwinden bewahrt werden: Die «Zürcher Überlaufrinne» entwickelte der Architekt für das Freibad Seebach. Sie sorgte für einen gleichmässigen Wasseraustausch der Becken und wurde zum Vorbild für viele andere Bäder.
Im Winter 2005/06 folgten die Massnahmen an den Gebäuden. Die Betonoberflächen sämtlicher Häuser wurden saniert, die Backsteinwände sowie die wertvolle Holzverschalung gründlich gereinigt und teilweise ergänzt. Die Nutzungen der Gebäude veränderten sich zum Teil stark. Den bereits provisorisch eingerichteten Verpflegungskiosk am Eingang erweiterte man mit moderner Küchentechnik und einer WC-Anlage. Er ersetzt nun definitiv das ehemalige Selbstbedienungsrestaurant im Obergeschoss des Sportumkleidengebäudes im hinteren Teil der Anlage. Das Restaurant wurde dort zu wenig frequentiert, weshalb an dessen Stelle nun weitere Saisonkabinen eingebaut wurden. Die einstige Restaurantterrasse wurde zur Liegefläche – die darüber liegenden Sonnenschutzlamellen aus Beton nehmen nun auch den ehemals geschlossenen Teil des Daches ein. Im Geschoss darunter wurden die Sammelgarderoben zu einem Spiel- und Sportraum hinter einer Faltschiebewand umgebaut – der Bedarf an Umkleiden hat sich im Laufe der Zeit mehr und mehr reduziert.
Das zeigt auch der grösste Eingriff in die historische Anlage im unteren Geschoss des Garderobengebäudes. Die Männer teilen sich nun mit den Frauen die obere Etage. Ihre ehemalige Umkleide im Untergeschoss steht nun als Mehrzweckraum der Öffentlichkeit das ganze Jahr über zur Verfügung, was auch im Winter zur Belebung dieses sozial nicht ganz einfachen Ortes beiträgt. Sein Zugang befindet sich ausserhalb des Bades: ein ehemaliger Serviceweg entlang des Katzenbaches. Die einstige Werkstatt ist nun ein Entree mit WC und durch eine innere Glasfront vom frei teilbaren Raum getrennt. Schwarze Platten an den Wänden und naturbelassener Steinholzbelag kontrastieren mit den gelbgrünen Vorhängen, die für gute Akustik und Intimität sorgen – hier zeigt sich der neue Eingriff in zeitgemässer Frische. In der hallenartigen Garderobe darüber scheint sich dagegen kaum etwas verändert zu haben: Die hölzernen Umkleidekabinen wurden leicht erhöht, einige Schliessfächer vergrössert und der Dusch- und WC-Bereich erneuert.
Eine diskrete Arbeit der Künstlerin Franziska Koch macht die Erneuerung des Freibades Seebach zum Thema: Über der Brüstung der ehemaligen Restaurantterrasse hängt ein Badetuch, vor Schmutz starrend und tropfend, als hätte es dort jemand vergessen. Erst bei genauerer Betrachtung sieht man: Es ist aus Metall gegossen. Sämtliche Möbel in der Anlage wie Tische, Stühle, Liegestühle und Sonnenschirme sind kräftig rot und bilden so einen satten Kontrast zum Grün der Bepflanzung, zum Blau der Wasserbecken und zur zurückhaltenden Tonigkeit der Gebäude.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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