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Blühende Paradiese
Neue Zürcher Zeitung

Gärten der Antike – eine Ausstellung in der Orangerie des Boboli-Gartens in Florenz

Grünanlagen zählen seit der Antike zu den Eckpfeilern einer verfeinerten Wohnkultur. Eine Schau in Florenz beleuchtet die Entwicklung der Gärten von der altägyptischen bis in die römische Zeit.

28. September 2007 - Roman Hollenstein
Es sind nicht nur die Strassenzüge und weitläufigen Villen, mit denen die Ruinenstädte Herculaneum und Pompeji die Besucher in ihren Bann ziehen, sondern auch die oft noch deutlich zu erkennenden, mitunter durch Rekonstruktionen hervorgehobenen Gärten. Bereits zur Zeit ihrer Entstehung spiegelten die durch den verheerenden Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 konservierten Grünanlagen der luxuriösen Wohnsitze am Golf von Neapel eine jahrtausendealte Geschichte, die ihren Anfang in Ägypten und im Zweistromland genommen hatte. Die dortigen Kulturen lernten früh schon das kostbare Nass mittels immer ausgeklügelterer Techniken zur Bewässerung zu nutzen und so die Wüste in ein blühendes Fruchtland zu verwandeln. Aus Gemüsekulturen und schattigen Dattelpalmenhainen entwickelten sich dann die ersten Ziergärten. In Mesopotamien erfüllten diese mitunter sogar eine politische Funktion, indem sie mit aus allen Teilen des Reichs zusammengetragenen und sorgsam kultivierten Pflanzen zum Symbol für Macht und Einfluss der Herrscher wurden. Es erstaunt daher kaum, dass sich diese selbst den Ehrentitel «Gärtner» zugelegt haben sollen.

Hängende Gärten und Wasserspiele

Diese Anlagen, von denen die legendären Hängenden Gärten der Semiramis in Babylon sogar den Rang eines Weltwunders erlangten, waren nicht ohne Einfluss auf die griechische Mythologie. Und bald schon umgaben heilige Haine die Tempelbezirke. In den privaten Gärten kultivierte man neben Früchten, Kräutern und Medizinalpflanzen allmählich auch Blumen und Sträucher. Diese Refugien wurden in der hellenistischen Zeit im östlichen Mittelmeergebiet immer eleganter. Ihnen antworteten öffentliche Parkanlagen mit Wasserspielen, deren Technik nicht zuletzt auf den hydraulischen und mechanischen Forschungen basierte, die man in Alexandria betrieb. Von den Römern wurden diese Künste begierig aufgegriffen und verfeinert. Denn der Kult mit dem Wasser, der im Bau von Aquädukten und Thermen kulminierte, wirkte sich auch auf die Gestaltung der Grünräume aus, die ohne Brunnen, Kanäle und reflektierende Wasserflächen bald nicht mehr denkbar waren.

All diese Entwicklungen sind Thema einer auf umfangreichen neuen Forschungsarbeiten beruhenden Ausstellung über die Gärten in der Antike, die unter dem Titel «Il giardino antico da Babilonia a Roma» derzeit in der frisch renovierten Orangerie im Boboli-Garten des Palazzo Pitti in Florenz zu sehen ist. Mehr als 150 kostbare Exponate aus den archäologischen Sammlungen in Berlin, Florenz, London, Neapel, Paris und Rom, aber auch aus Herculaneum und Pompeji veranschaulichen die Geschichte des Gartens als Ort der Erholung, des Vergnügens und der Meditation. Daneben wird die Funktion der für die Gärten unentbehrlichen Bewässerungssysteme und Wasserspiele an eigens angefertigten Modellen erläutert. Die Rekonstruktionen zweier pompejanischer Peristylgärten im Massstab 1:1 in den Bosketten des Parks vergegenwärtigen darüber hinaus den einfachen Garten der Casa dei Pittori al Lavoro ebenso wie den luxuriösen, von einer Vielzahl von Brunnen und Skulpturen belebten Grünraum des Hauses der Vettier.

Römische Villenkultur

Mit Informationen aus Ägypten wird die Schau eröffnet. Dabei erfährt man, dass schon Hatschepsut exotische Bäume einführen liess. Eine vor rund 3500 Jahren entstandene Darstellung aus dem Remike-Grab in Theben zeigt einen der frühsten Gärten überhaupt: mit Palmen, Akazien und Platanen. Während diese Wandmalerei – ausnahmsweise – nur als Reproduktion zugegen ist, künden stilisierte Elfenbeinbäume und Alabastertafeln mit Palmengruppen vom mesopotamischen Gartenkult des siebten vorchristlichen Jahrhunderts in Assur und Ninive. Vasenbilder und kalabrische Votivtafeln entführen einen daraufhin in die blühenden Welten der griechischen Mythologie – von den Weinbergen des Dionysos und dem Sitz der Musen auf dem Helikon bis zum Paradiesgarten der Hesperiden. Antike Büsten von Platon, Aristoteles oder Epikur erinnern zudem an die attischen Philosophen-Haine.

Den eigentlichen Höhepunkt der Schau bildet aber die römische Gartenkultur, die in der augusteischen Zeit zu ungeahnter Bedeutung aufstieg, so dass bald schon Dutzende von Parkanlagen das Zentrum Roms einkreisten. Diese wurden in der Neuzeit zu wichtigen archäologischen Fundstätten, in denen man sogar original griechische Werke fand, wie in der Schau eine attische Grabstele mit einem lebensgrossen Jüngling aus den Gärten des Maecenas bezeugt. Statuenschmuck aus weiteren Pärken des altrömischen Adels geleiten einen zu einem erstaunlichen Modell des Hofgartens eines grossen Miethauses in Ostia.

Noch materialreicher präsentieren sich dann die Gärten der Vesuvstädte – mit Brunnenskulpturen des Vettier-Gartens in Pompeji und Marmorbildwerken aus der Villa der Poppea in Oplontis, mit Stelen und Bildtafeln, die einst zwischen Rosen, Oleander, Lorbeer und Erdbeerbäumen aufgestellt waren, sowie mit an Ästen oder Pergolen aufgehängten Masken. Dazu kommen pneumatische Wunderwerke wie Bäume aus Bronze, in deren Geäst metallene Vögel zwitschern, und technische Objekte wie Verteiler, Siphons, Pumpen und Abflusssiebe sowie aufschlussreiche pflanzliche Überreste.

Zusammen mit den gemalten Parkanlagen, von denen die wohl schönste aus dem Haus des Goldenen Armbands ebenso wie das dort entdeckte, mosaikverzierte Nymphäum in Florenz zu sehen ist, vermitteln uns solche Funde genaue Kenntnisse der römischen Villengärten. Dank diesen konnte beispielsweise im südkalifornischen Malibu das Getty-Museum in Form der Villa dei Papiri mit all ihren Pflanzen, Skulpturen und Wasserspielen errichtet werden. Doch davon erfährt man in dieser sonst so inspirierenden, mitunter gar berauschenden Schau ebenso wenig wie von den impressionistisch hingehauchten Gartenfresken, mit denen einst das Haus der Livia bei Prima Porta in Rom prunkte, oder vom prachtvollen Park der Hadriansvilla bei Tivoli. Da der opulente Katalog solche Fehlstellen nicht schliesst, empfiehlt sich ein Blick in das Buch «Gärten der Römischen Welt» des englischen Spezialisten Patrick Bowe, welches mit seinen attraktiven Abbildungen die materialreiche Florentiner Ausstellung ideal ergänzt.

[ Bis 28. Oktober in der Orangerie des Palazzo Pitti im Boboli-Garten. Katalog: Il giardino antico da Babilonia a Roma. Scienza, arte e natura. Sillabe, Livorno 2007. 351 S., € 35.–. Patrick Bowe: Gärten der Römischen Welt. Schirmer/Mosel, München 2004. 169 S., Fr. 38.20. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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