Artikel

Schuhschachtel auf Stöckeln
Der Standard

Das Megaprojekt Wien-Mitte geht jetzt in Bau - Fast zwei Jahrzehnte Debatten rund um dieses Gebäude haben der Architektur mehr geschadet als genützt. Das Resultat ist dicht gepackte Fassadenfront an einem Ort, der einer der quirligsten Wiens hätte werden können. Eine Analyse.

29. September 2007 - Ute Woltron
Die derzeit vorliegenden Renderings und Visualisierungen dessen, was in den kommenden drei Jahren in Wien-Mitte aus dem Stadtboden wachsen soll, zeigen vor allem eines überdeutlich: Hier wurde der Kubikmeter umbauten Raumes erfolgreich zum Maß aller Dinge erhoben. Die Frage, wie viele Quadratmeter verwertbarer Fläche in diesen prominenten, zentral gelegenen Baublock gepackt werden können, wurde aller Wahrscheinlichkeit nach vorzüglich beantwortet.

Die architektonische Ausführung jedoch blieb quasi ein unvermeidbares Übel, und da nützt es auch nichts, wenn die verantwortlichen Architektengemeinschaft nun diverse neckische Tricks mit dezenten Fassadenfältelungen zur Anwendung bringen wollen. Angesichts dieser leicht verkanteten Schuhschachtel auf Stöckeln, deren tatsächliche Fassadenbeschaffenheit derweil noch offen ist, darf immerhin die Frage gestellt werden, wozu man in den vergangenen 17 Jahren diverse Architekturwettbewerbe abgehalten hat, wenn das nun das optimale Resultat sein soll.

Schwieriger Bauplatz

Der Bauplatz Wien-Mitte ist außer Zweifel aus verschiedensten Gründen ein äußerst schwieriger. Zum einen muss der darunter gelegene hochfrequentierte Bahnhofsknoten bedient werden. Zum anderen zwingen die Auflagen des innerstädtischen Weltkulturerbes jede höherfliegende Planung in die Knie. Die wahre Problematik verbirgt sich allerdings im Zahlenwerk, das die Investoren hinter den Kulissen zu bewältigen haben: Wie viel genau die B.A.I. der ÖBB für das Grundstück bezahlt hat, weiß keiner. Um die 140 Millionen Euro dürfte es sich schon gehandelt haben.

B.A.I.-Chef Thomas Jakoubek meinte dazu im Juli 2005 als der Deal unterschrieben wurde lediglich lakonisch, es sei „zu viel“ gewesen. Zu teurer Grund muss hier also möglichst dicht ausgenutzt werden, um nicht zum Verlustgeschäft zu geraten. Immerhin geht es gerüchteweise um rund 400 Millionen Euro Gesamtprojektkosten, doch zur städtebaulichen Zier des Grätzels gereicht dieses Konstrukt sicher nicht.

Langeweilig und vorgestrig

Auch ein vormals anvisierter lebendiger Nutzungsmix, in dem unter anderem Hotels und Wohnungen samt Terrassen sowie Restaurants und Cafés mit Aussicht vorgesehen waren, hat sich auf Büros und Shopping reduziert. Langweilig und für eine moderne große Stadt vorgestrig. Fazit: Die B.A.I. investiert, wie es ihr gutes Recht ist, in die Rendite. Die Stadtplanung hat sich zwar ein- aber wenig zusammengebracht und das vom ungeduldig werdenden Bürgermeister Häupl vergangenen Herbst grantig zur „Herzensangelegenheit“ deklarierte Shop-Büro-Bahnhofsprojekt schließlich abgesegnet.

Aus all diesen Gründen hatten alle Architekten, die im Zuge des immerhin bereits vor 1990 gestarteten Planungsrennens immer wieder über diverse Wettbewerbshürden gehetzt wurden, letztlich nie eine Chance, hier zu gewinnen. Neumann + Partner und Ortner + Ortner, das Siegerteam des Wettbewerbs von 1990, geht dank wasserdichter Verträge nun fast zwei Jahrzehnte später ins Ziel. Ihre Planungen basieren auf dem späteren städtebaulichen Wettbewerbsprojekt der Kollegen Henke-Schreieck. Viel mühsamer geht Architekturmachen nicht.

Künstler sollen retten

Damit wenigstens irgend ein Pep in die Angelegenheit kommt, wurden nun weltbekannte Künstlerinnen und Künstler gebeten, die Angelegenheit innen und außen mit Kreativität ins Zeitgenössische zu pushen. Ob und was Leuten wie Olafur Eliassohn und Louise Bourgeois dazu einfallen kann, dürfte immerhin spannend werden.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: