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Architektenaufstand gegen die ÖBB
Der Standard

Einkaufen am Sonntag, beim Hauptbahnhof um den Architekturwettbewerb und die Vergabe

Ein internationales Architektenkonsortium lässt das Expertenverfahren Bahnhof City der ÖBB vom Bundesvergabeamt überprüfen. Es soll festgestellt werden, ob für den neuen Stadtteil um den künftigen Hauptbahnhof ein EU-weiter Wettbewerb hätte ausgelobt werden müssen.

12. Januar 2008 - Ute Woltron
Das im Herbst von der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH ausgelobte „Expertenverfahren Bahnhof City“ auf dem Wiener Südbahnhofareal, zu dem lediglich acht Architektenteams geladen wurden, geht demnächst in die Juryentscheidung. Ob allerdings die gewählte exklusive Verfahrensart rechtens war, wird in den kommenden Wochen das Bundesvergabeamt zu entscheiden haben.

Nachprüfungsanträge

Denn am Freitag brachten insgesamt 50 österreichische und internationale Architekten bei der Kontrollbehörde Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung ein. Mit dabei sind etwa die norwegischen Snohetta AS, die sich mit dem Bau der Bibliothek von Alexandria einen Namen gemacht haben und derzeit unter anderem das 9/11-Memorial auf Ground Zero errichten. Ebenfalls darunter befindet sich Volkwin Marg vom Hamburger Büro Gerkan, Marg und Partner, die im Vorjahr mit großem internationalem Aufsehen den ersten Urheberrechtsprozess eines Architekturbüros gewinnen konnten - pikanterweise gegen die Deutsche Bundesbahn im Falle des Berliner Hauptbahnhofs.

Den Architekten geht es darum, endlich klar festzustellen, ob Unternehmen wie die zu hundert Prozent im Staatseigentum stehenden ÖBB und somit auch deren Immobilientochter in Sachen Architekturwettbewerbe dem Bundesvergabegesetz (BVergG 2006) unterliegen, oder, wie die ÖBB-Immo-GesmbH selbst von sich behauptet, rein privatwirtschaftlich agieren dürfen.

Laut BVergG müssen öffentliche Auftraggeber ab einem Schwellenwert von 206.000 Euro EU-weite, öffentliche Wettbewerbsverfahren ausloben, an denen sich alle befugten Architekten beteiligen dürfen. Dieser Schwellenwert wird weit überschritten: Auf dem Wiener Südbahnhofgelände soll in den kommenden Jahren neben dem neuen Hauptbahnhof ein neuer Stadtteil entstehen. In einem der Hochhäuser soll die ÖBB-Zentrale untergebracht werden.

Das umstrittene Verfahren wurde in Absprache mit der Wiener Stadtplanung ausgeschrieben und erst durch Berichte im Standard öffentlich bekannt gemacht. Darauf hin war Architekt Georg Pendl Ende Dezember als Juryvorsitzender zurückgetreten.

Dass die Gewinne der ÖBB-Immo-Gesellschaft unter anderem in die ÖBB-Infrastruktur Bau AG fließen, die wiederum für Errichtung sowie Finanzierung des neuen Hauptbahnhofs zuständig ist, ist für Petra Rindler von der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Pflaum, Karlberger, Wiener, Opetnik, die die Antragssteller vertritt, nur einer der Beweispunkte dafür, dass hier von einem öffentlichen Auftraggeber das Vergabegesetz eindeutig umgangen wurde.

Chaos der Beliebigkeit

Ein Nachprüfungsverfahren dieser Art hat Präzedenzcharakter. Denn derzeit herrscht gerade auf dem Architekturwettbewerbssektor ein nie zuvor dagewesenes Chaos der Beliebigkeit. Einer der Gründe dafür: Das Bundesvergabeamt darf überhaupt nur aktiv werden, wenn es dazu per Antrag aufgefordert wird. Das ist zum einen kostenpflichtig, zum anderen äußerst aufwändig, zum Dritten scheuen die Architekten naturgemäß den Konflikt mit potenziellen Auftragspartnern.

Unter den heimischen Antragsstellern befinden sich namhafte Architekten wie etwa Adolf Krischanitz, Volker Giencke, Szyszkowitz Kowalski, Max Rieder, Hermann Czech - und auch die Architekten Domenig & Wallner. Pikantes Detail am Rande: Als geladene Wettbewerbsteilnehmerin hatten die ÖBB noch im November die Bürogemeinschaft Domenig, Eisenköck angeführt, die jedoch schon längst nicht mehr existiert. Günther Domenig, einer der bekanntesten Architekten der Nation, hatte von seiner angeblichen Teilnahme erst von jenen Kollegen Kenntnis erlangt, die das Verfahren nun überprüfen lassen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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