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ÖBB stoppt Vergabe bei Hauptbahnhof
Der Standard

Infrastrukturpläne der Stadt unter Beschuss

Der Wettbewerb um die BahnhofCity am Wiener Hauptbahnhof wurde von den ÖBB am Mittwoch vorläufig gestoppt. Drei Architekturteams kamen dennoch in eine zweite Runde. Ob die allerdings tatsächlich stattfinden kann, muss erst das Bundesvergabeamt entscheiden.

17. Januar 2008 - Ute Woltron
Während das Bundesvergabeamt die Überprüfung des umstrittenen ÖBB-Verfahrens BahnhofCity Wien bereits eingeleitet hat, wurden am Montag und Dienstag die Entwürfe der acht geladenen Architekturbüros juriert. Wie der Standard gestern berichtete, war der Wiener Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SPÖ) am Montag erst nicht zur Sitzung erschienen, um dann am Dienstag kurzfristig und völlig überraschend als Juror zurückzutreten.

Ein Sieger wurde noch nicht gefunden, die Projekte von Behnisch Architekten, Stuttgart, Feichtinger Architekten, Paris, sowie Hans Hollein, Wien, gehen in einer zweiten Runde in die Überarbeitung. Allerdings, so ÖBB-Sprecherin Bettina Gusenbauer, gebe es dafür erst dann den Startschuss, wenn das Bundesvergabeamt seine Überprüfung abgeschlossen habe. Der Entscheid ist in sechs Wochen zu erwarten, die Frist läuft ab Antragsstellung.

Großes Erstaunen hat Rudolf Schickers Rückzieher aus dem Verfahren nicht nur bei der ÖBB hervorgerufen. Der oberste Planer der Stadt ließ via APA am Dienstag ausrichten, er könne sich als Juror nicht für ein Verfahren zur Verfügung stellen, dessen Rechtsgrundlage unklar sei. Dem Standard ließ Schicker auf Anfrage mitteilen, das ÖBB-Verfahren würde „außerhalb des Einflussbereiches der Stadt Wien geführt“, und: „Die rechtliche Beurteilung der Frage, wer ein öffentlicher und wer ein privater Auslober ist, entzieht sich der Entscheidungsfindung der Stadt.“

„Blitzrückzieher“

Diese Aussage erstaunt zumal die ÖBB, denn in der Ausschreibung ist der Auslober explizit als „ÖBB Immobilien in Kooperation mit der Stadt Wien“ angegeben.

Erbost über Schickers Blitzrückzieher zeigte sich via Aussendung auch die Vorsteherin des vierten Bezirks, Susanne Reichard (ÖVP), die ebenfalls Mitglied der Jury war. Schicker betreibe „einen Eiertanz par excellence“ und, so weiter: „So ein Verhalten ist eines Planungsstadtrates unwürdig.“ Denn: „An welchen Vorgaben sollen sich die Bezirke nun orientieren, wenn das ganze Projekt in Schwebe ist.“

Die Reaktionen innerhalb der Architektenschaft lassen ebenfalls nicht auf sich warten. Man werde, so ein am Verfahren beteiligtes Büro internationalen Formats, die ÖBB mit Sicherheit auf Schadenersatz klagen, sollte sich das Verfahren als nicht rechtsmäßig erweisen. Es gehe nicht an, dass man auf gut Glück einen Verfahrensweg wähle, der sich dann unter Umständen als gesetzeswidrig erweise.

Dietmar Feichtinger, als einer der drei Überarbeiter in Warteposition, sagte zum Standard: „Angenehm ist die Situation für uns natürlich nicht.“ Sollte aber festgestellt werden, dass die ÖBB tatsächlich öffentlich hätten ausschreiben müssen, habe er mit dem Antrag der Kollegen „kein Problem“. Hans Hollein meinte, er sei „davon ausgegangen, dass dies ein korrektes Verfahren ist“. Vom Architektenteam Behnisch war keine Aussage zu bekommen, außer, dass man über die Situation zu wenig im Bilde sei.

Derzeit läuft übrigens am Wiener Nordwestbahnhofgelände ein ebenfalls von den ÖBB Immobilien gemeinsam mit der Stadt Wien (MA21) ausgelobtes Verfahren, das eine „Städtebauliche Leitidee“ für das künftig zu entwickelnde Areal zum Ziel hat. Auch dieses Verfahren wird mit neun geladenen Teams durchgeführt, wird allerdings nicht zu einem konkreten Bau führen und befindet sich vergabetechnisch im Unterschwellbereich, muss ergo nicht EU-weit ausgeschrieben werden.

„Wir werden trotzdem aus diesem Verfahren aussteigen“, meinte Wolf Prix von den dazu geladenen Architekten Coop Himmelb(l)au auf Anfrage des Standard, denn das Vergabechaos, das sowohl bei den ÖBB als auch in der Stadtplanung zutage trete, habe sein Vertrauen in die Güte deren Architekturwettbewerbe einmal mehr erschüttert.

Und noch ein weiteres Verfahren dürfte auf der Kippe stehen: Am von der Stadtplanung ausgeschriebenen PPP-Modellwettbewerb für die Bildungseinrichtung am Nordbahnhof haben gerade drei der acht Architektenteams ihre Beteiligung zurückgezogen, da laut deren Aussage sowohl Ausschreibung als auch Verfahrensprozess die Herstellung architektonischer Qualität völlig unmöglich machten.

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