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Archäologisch geadelte Baukunst
Neue Zürcher Zeitung

Der klassizistische Architekt Friedrich Weinbrenner in Karlsruhe

10. Mai 2008 - Roman Hollenstein
Mit Visionen, die zum Radikalsten zählen, was die deutsche Architektur im späten 18. Jahrhundert hervorbrachte, sicherte sich der in Karlsruhe zum Zimmermann ausgebildete Friedrich Weinbrenner (1766–1826) früh schon den Ruf eines Meisters des Klassizismus. Seine grossformatigen, in Rom gefertigten Aquarelle zeigen schmucklose, von schweren dorischen Säulen geprägte Bauten oder düster-kahle Innenräume. Doch die realisierten Werke, die – nach Kriegsschäden wiederaufgebaut – noch heute das Stadtbild von Karlsruhe adeln, veranschaulichen jenen Mittelweg zwischen Ideal und Wirklichkeit, der zu Weinbrenners Markenzeichen wurde. So kristallisierten die gravitätischen Rathaus-Entwürfe, die er von aus Rom nach Karlsruhe sandte, schliesslich zu einem bürgerlichen Monument. Dieses bildet seit 1825 das noble Gegenüber der 1816 eingeweihten Stadtkirche, deren Säulenhalle ähnlich ins urbane Gefüge eingebunden scheint wie der Minervatempel in Assisi. Von einer revolutionären, den «französischen Modemachern» verpflichteten Haltung fand er hier zu einer Vereinigung von altrömischem Vorbild und zeitgenössischer Nutzform, wie sie bald auch in Klenzes München oder Schinkels Berlin den Ton angeben sollte. Ernster und altrömischer wirkt hingegen der am Pantheon inspirierte Zentralbau der Stephanskirche, die 1814 für die wachsende katholische Bevölkerung, aber auch für Napoleons Adoptivtochter Stéphanie, die Ehefrau des Grossherzogs von Baden, vollendet wurde.

Rom als Lehrmeisterin

Weinbrenners Auseinandersetzung mit der Antike in Rom spürt derzeit eine kleine, aufgrund des informativen, reich bebilderten Katalogs aber erwähnenswerte Ausstellung des Karlsruher Stadtmuseums im Prinz-Max-Palais nach. Der angehende Baukünstler gelangte nach Wanderjahren, die ihn nach Zürich und Lausanne führten, 1790 über Wien, Prag und Dresden nach Berlin. Dort lernte er von den Architekten Langhans, Gilly sowie Genelli und freundete sich mit dem Künstler Asmus Jakob Carstens an. Mit diesem brach er im Mai 1792 nach Rom auf, wo er gerne für immer geblieben wäre, hätte ihm 1798 nicht die napoleonische Politik einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Doch zuvor durchstreifte er mit Künstlerfreunden die Ruinen Roms, die wiederentdeckten Vesuvstädte und Paestum. Dabei entstanden Zeichnungen, in denen er – der «überspannten Bilder» Piranesis überdrüssig – nach einer wirklichkeitsnahen und perspektivisch exakten Interpretation der antiken Überreste strebte und so Carstens' lineare Zeichenkunst beeinflusste, wie in der Ausstellung ein Stich nach dessen «Jason in Jolkos» belegt. Noch leidenschaftlicher bemühte sich Weinbrenner um die zeichnerische Rekonstruktion römischer Thermen und Prachtsbauten sowie – Jahre später – der in Badenweiler entdeckten römischen Bäder. All diese Wiederherstellungsversuche zeugen von fundierten Quellenkenntnissen. Deshalb erstaunt es nicht, dass die 1797 im «Neuen Teutschen Merkur» publizierten Studien zum Theater des Curio auch Goethes Augenmerk auf Weinbrenner lenkten. Parallel zu diesen anspruchsvollen antiquarischen Übungen entstanden höchst unkonventionelle, die antiken Vorbilder neu interpretierende Entwürfe für viele damals wichtige Bautypen – vom Stadttor und vom Rathaus über Ballhaus, Reithalle und Zeughaus bis hin zum Schlachthof.

Städtebauliches Gesamtkunstwerk

Auch wenn diese ausdrucksstarken Aquarelle vom Karlsruher Baudirektor Müller als «lästig und drückend» empfunden wurden, begründeten sie und der wohl noch in Rom gezeichnete Generalplan für Karlsruhe den Erfolg Weinbrenners. Gleich nach seiner Rückkehr aus Italien wurde er Inspektor im Bauamt und schon 1801 Baudirektor sowie Leiter der neuen Bauschule. Sein erstes, noch ganz vom Geist der Revolutionsarchitektur durchdrungenes Meisterwerk war die 1800 geweihte, aber leider 1871 abgebrannte Karlsruher Synagoge, an deren rigorose, ägyptisch anmutende Form noch heute ein permanent ausgestelltes Modell im Stadtmuseum erinnert. Danach realisierte er – im Rahmen der Umgestaltung der 1725 gegründeten Stadt Karlsruhe zur grossherzoglichen Residenz – mit der seit 1806 zwischen Rondell- und Marktplatz angelegten Via Triumphalis das erste städtebauliche Gesamtkunstwerk des deutschen Klassizismus. Doch das weist schon über das eigentliche Thema der Schau hinaus, die neben kostbaren Bildern und Plänen auch jene Publikationen präsentiert, die zusammen mit Weinbrenners Lehrtätigkeit eine eigentliche «Weinbrenner-Schule» begründeten.

[ Bis 1. Juni im Karlsruher Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais. Katalog: Friedrich Weinbrenners Weg nach Rom. Bauten, Bilder und Begegnungen. Hrsg. Ulrich Maximilian Schumann. Lindemanns Bibliothek, Karlsruhe 2008. 96 S., € 16.80. ]

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