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Landmark per Diktat?
Der Standard

Fußgehersteg erregt Gemüter

Eine Calatrava-Direktvergabe wäre rechtlich fragwürdig

21. Juni 2008 - Ute Woltron
Kommenden Mittwoch soll der Wiener Gemeinderat darüber entscheiden, ob der spanische Architekt Santiago Calatrava mit einem Fußgängersteg am Wienerberg direkt und ohne vorgeschaltetes Wettbewerbsverfahren beauftragt werden kann.

Die Idee, die Brücke als „Kunstwerk“ zu titulieren und damit das Bundesvergabegesetz zu umschippern, stammt vom Wiener Planungsstadtrat Rudolf Schicker.

Der lernte den Spanier im vergangenen Jahr in New York kennen und ließ damals bereits über die Rathauskorrespondenz verkünden, er hoffe, Calatrava „schon demnächst“ für ein Wiener Projekt gewinnen zu können.

Doch die Idee der Direktbeauftragung stößt nicht nur bei Architekten und Ingenieuren auf Unverständnis.

In einer dem Standard schriftlich vorliegenden Rechtsansicht von Petra Rindler von der Wiener Anwaltskanzlei Pflaum Karlberger Wiener Opetnik, heißt es: „Es geht der Stadt Wien bei diesem Bauwerk selbstverständlich vorrangig um einen allen Regeln der Technik sowie den baurechtlichen Bestimmungen entsprechenden Brückenbau und nicht um ein Kunstwerk, das vielleicht zufällig auch begeh- und befahrbar ist.“

Brücke ist kein Kunstwerk

Zur selben Ansicht gelangte vergangenen Herbst bereits ein spanisches Gericht im Falle einer Calatrava-Brücke in Bilbao.

Rindler ist in die Vergabematerie derzeit gut eingearbeitet, sie hatte auch jene Architekten vertreten, die erst vor kurzem über das Bundesvergabeamt das ÖBB-Hauptbahnhof-Verfahren aushebelten.

Sie bezieht sich in ihrer Rechtsansicht auf ein von Anwalt Walter Schwarz im Auftrag der Stadt Wien erstelltes Rechtsgutachten, das dem Standard ebenfalls vorliegt und einen Planungsauftrag an Calatrava „für gut argumentierbar“ befindet.

Schließlich, so Schwarz, sei die Situation „mit anderen Vergaben im künstlerischen Bereich durchaus vergleichbar“: Operndirektor Ioan Holender wolle immerhin auch Nina Stemme als Brünhilde, und Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol dürfe sich ein von Josef Kern gestaltetes Porträt für das Parlament wünschen.

Gefahr eines Präzedenzfalls

Fazit: „Da sich die Beweggründe der Stadt Wien qualitativ nicht von denen des Herrn Holender oder des Herrn Khol unterscheiden“, müsse eine Direktvergabe möglich sein.

Die Grüne Gemeinderätin Sabine Gretner ortet in Schickers Wünschen eher einen „Mitterand-Effekt“ und sieht eine „klare Umgehung der Vergabegesetze“ sowie „die Gefahr eines Präzedenzfalls, der weiteren Vergaben dieser Art Tür und Tor“ öffne: „Die Idee der Direktvergabe reiht sich nahtlos in die Vergabepannen Wiens, wie Bahnhofcity und Prater.“

Andreas Gobiet, Präsident der Kammer der Architekten- und Ingenieurkonsulenten Wien, Niederösterreich, Burgenland, pocht ebenfalls auf einen Wettbewerb.

Es gehe immerhin um eine „optimale Lösung für die Stadtbewohner und nicht um prominente Architektennamen“. Und: „Ein Politiker kann nicht einfach hergehen und diktieren, er mache ein Projekt halt so, wie er glaube, immerhin wird mit Steuergeldern agiert.“

Rindler kommt in ihrer Rechtsschrift ebenfalls zur Ansicht, vergaberechtlich habe die Funktionalität und die Nutzung eines Bauwerks - in diesem Fall einer Brücke - samt Einhaltung der Bauordnung rechtlichen Vorrang, „und nicht, ob die darüber hinaus vielleicht auch ein Kunstwerk ist.“

Vera Layr aus Schickers Büro zum Standard: „Wir möchten in Wien ein Landmark von Calatrava haben, das ist der Wunsch der Stadt. Wir stehen dazu, und da fährt die Eisenbahn drüber.“

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