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Odyssee in den Weltenräumen
Der Standard

Die 11. Architekturbiennale in Venedig eröffnet dieses Wochenende: Sie führt perfekt vor Augen, wie diese vormals kompakte Disziplin auseinanderdriftet, um sich in unterschiedlichsten Galaxien neu zu manifestieren.

13. September 2008 - Ute Woltron
Einem wirklich guten Gebäude liegt vor allem eines zugrunde: ein klares, durchdachtes Konzept. Und wenn dieses gedankliche Konstrukt robust und in sich hundertprozentig schlüssig ist, kann nicht mehr viel schiefgehen.

Doch exakt diese gedankliche Entschlossenheit fehlt der Architektur zusehends. Zwischen bunten Renderings und künstlerischen Installationen, zwischen investitionsschweren Kommerzkatastrophen und Ökologiebemühungen wurde die Idee, was Architektur denn tatsächlich sei, ja welche Aufgabe sie zu erfüllen habe, oftmals zu schalem Nichts zerrieben. Wirklich gute Projekte blieben Ausnahme.

Die Architekturbiennale in Venedig führt diesen Prozess klar vor Augen. Nie zuvor war eine Schau zerrissener, waren die Unterschiede des jeweils Demonstrierten größer. Doch das ist gut so, jetzt lichtet sich das Chaos, der kathartische Moment der Klarheit dämmert herauf. „Out there. Architecture beyond buildings“ - unter diesem Motto rief Biennale-Chef Aaron Betsky in der von ihm selbst kuratierten Abteilung die architektonische Elefantenrunde zu Getröte auf. Frank Gehry, Zaha Hadid, Asymptote, Ben van Berkel und all die anderen Mitglieder der wohlbekannten Architektenfamilie dürfen sich selbst präsentieren und zeigen, was man bereits hundertfach von ihnen gesehen hat.

Coop Himmelb(l)au sind auch dabei. Ihre aus den 60er-Jahren ins Heute katapultierte Feedback-Installation verstärkt den Herzschlag der Besucher zu einer Art akustischem Kammerflimmern, was seinen Reiz hat und bei den Besuchern noch am besten ankommt. Ganz neu ist es nicht.

Spannende Länderpavillons

Betskys Promi-Parcours bleibt eine autistisch-arrogante Machtdemonstration der Arrivierten, denen der Rest der Menschheit herzlich wurst scheint. Und wenn Greg Lynn Plastikspielzeug vermeintlich im Dienste des Recyclings zu unmöglichen Möbelkonstruktionen morpht, dann wendet sich der Gast mit Grausen anderem zu.

Wie die Länderpavillons mit dem Thema umgehen, ist großteils erfreulich. Eine schallende Ohrfeige verpassen etwa die Russen dem Architekturzirkus, der gerade ihr Land zu verwüsten droht: Sie stilisieren ihren Pavillon zu einem Schachspiel der Architektur hoch. Auf den roten Feldern die russischen Architekten, auf den weißen die ausländischen Stars, die Terrain erobern wollen. Als Schiedsrichter fungieren die Developer und Investoren. Eine lebensnahe Schlacht, die durch wunderbare Land-Art-Projekte von Nikolaj Polissky im Untergeschoß poetisch-zynisch abgefedert wird.

In den Pavillons zeigt sich, dass klare, durchdachte Konzepte, so unterschiedlich sie sein mögen, der Weg zum Ziel der Erkenntnis sind. Meisterlich die Japaner: Ein weiß ausgepinselter, zart mit Bleistift behandelter Innen-, feine Glaspavillons im Außenraum, Pflanzengerank dazwischen veranschaulichen subtil, wie Architektur, Topografie, Natur als Einheit betrachtet werden können.

Die Mexikaner thematisieren eindringlich anhand von Interviews mit illegalen Siedlern sowie Planern, wie Menschen in diesem Land um Wohnraum ringen, und wie die sinnvolle Unterstützung durch Architektur/Infrastruktur funktionieren kann.

Sie liefern ein Beispiel für eine gelungene, weil knappe multimediale Installation, während andernorts sinnlose Farbspektakel und Soundgetöse die Betrachter nur verwirren. An Klarheit ebenfalls kaum überbietbar sind die Chinesen: Sie schicken die Besucher durch eine Abfolge großformatiger Fotografien, die kommentarlos die Wachablöse zwischen alter chinesischer Architektur und neuen Großprojekten zeigen.

Auch die Dänen verzetteln sich nicht lang mit hirnerweichenden Intellektualitäten, sondern werfen die Frage auf, wie es denn mit dieser irre gewordenen Welt in Sachen Ökologie und Klima weitergehen soll. Welchen Beitrag können Architekten und Städtebauer dazu leisten? Schließlich wird Kopenhagen im kommenden Jahr die UN-Klimakonferenz beherbergen. Der Österreich-Beitrag, kuratiert von Bettina Götz, zeichnet sich durch eine gelungene räumliche Interpretation des schwierig zu bespielenden Pavillons aus. Gezeigt werden Arbeiten von Josef Lackner, von Pauhof - jeweils besonders konzeptorientierte scharfe Denker - sowie eine Reihe von Interviews mit Architektinnen und Architekten zum Thema Wohnbau.

Klare Konzepte

Letzterer wird Anfang Oktober anhand eines international besetzten Symposiums im Pavillon breiter debattiert, denn dieser Erneuerungsprozess soll nicht in Venedig formschön enden, sondern sich zuhause konkret fortsetzen.

Fazit: Diese Biennale zeigt auf, dass die Architektur längst nicht mehr als die eine, kompakte Disziplin funktioniert, sondern gewaltig diversifizieren muss, will sie künftig weder als Appendix des Kunstbetriebs noch als Spielball finanzkräftiger Investoren ihr Auslangen finden.

Mit Optimismus kann man eine Professionalisierung in verschiedene Richtungen orten, sie bleiben aber Teil des architektonischen Universums. Die elementare Aufgabe ist der Städtebau und die Suche nach großen, funktionierenden Konzepten. Klare Themen bearbeiten, sich nicht in Formalismen verlieren, das Leben der Menschen verbessern: Es geht wieder aufwärts mit der Architektur.

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