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Cineastische Gedankenräume
Der Standard

Heinz Emigholz' Film über Adolf Loos ist ein kontemplativer Spaziergang durch Architektur

21. November 2008 - Ute Woltron
„Die Architektur projiziert einen Raumentwurf in die dreidimensionale Welt“, sagt Heinz Emigholz, „Der Film nimmt diesen Raum und übersetzt ihn in zweidimensionale Bilder, die uns in der Zeit vorgeführt werden.“

So könne der Betrachter im Kino Neues erleben, und zwar „einen Gedankenraum, der uns über das Gebäude meditieren lässt“.

Tatsächlich ist Emigholz' Film über Adolf Loos eine dermaßen kontemplative, betont langsame Angelegenheit, dass man spätestens nach einer Viertelstunde in eine Art Trance der langsamen Bilder verfällt.

Gezeigt werden 27 noch existierende Gebäude des österreichischen Architekten (1870-1933) in peniblen, nur scheinbar fotogleichen Stills. Denn wer genau schaut, sieht Lampenschirme in feinem Lufthauch pendeln und Zweige hinter den Fenstern im Wind schwanken.

Auch Blätterrauschen und Vogelgezwitscher sind gelegentlich vernehmbar, denn die spezifischen Soundarchitekturen rund um und in den präsentierten Häusern wurden eingefangen und den Filmsequenzen hinterlegt.

Raffinierte Raumwelt

Loos Ornamental ist eine sicherlich eigenwillige Arbeit, die nicht ungeteilte Begeisterung hervorrufen dürfte. Doch der Film vermag es tatsächlich, seine Betrachter einzusaugen und in die raffinierte Formen-, Raum- und Materialwelt des Adolf Loos zu schleusen.

Die Häuser werden in logischer Konsequenz in der Chronologie ihrer Entstehung gezeigt. Zu sehen ist natürlich der heutige Zustand mit allen Wunden und aller Patina, die ihnen die Zeit verpasst hat.

Doch in der zwar entschleunigten, aber konzentrierten Masse an Interieuransichten beginnen auch Nicht-Loos-Kenner die Qualitäten dieser fantastischen Architektur zu spüren. Das mag in der Tat der „Gedankenraum“ sein, den Emigholz mit seinem Film entstehen lassen will.

Man schließt gewissermaßen Bekanntschaft mit den eleganten Holzmeublagen, die als ein- oder mitgebaute Elemente die Architektur stets mitbestimmen, mit Steinflächen, Maserungen, Spiegeln.

Der Weg durch das Werk von Adolf Loos beginnt im Café Museum, führt in Wohnhäuser und Villen und endet mit dem Grabmal des Architekten auf dem Wiener Zentralfriedhof. Von Heinz Emigholz stammen nicht nur Konzept und Regie, er ist auch für Kamera und Schnitt verantwortlich - und damit quasi dem Gesamtkunstwerk im Loos'schen Sinn verpflichtet. Hervorzuheben sei zu guter Letzt die offensichtlich präzise Recherche sowie die Beharrlichkeit, mit der der Deutsche in Gebäude vordrang, die der Öffentlichkeit gewöhnlich nicht zugänglich sind: ein Spaziergang durch Reales im Virtuellen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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