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Moderne und «Tradition»
Neue Zürcher Zeitung

Der Architekt Hanns Hopp

Die private und berufliche Kontinuität deutscher Architekten von der Weimarer Republik über das Dritte Reich bis in die Nachkriegszeit gehört zu jenen Gebieten der deutschen Architekturgeschichte, die in den letzten Jahren mit besonderer Sorgfalt untersucht wurden. Dass auf diesem Sektor dennoch weiterhin Entdeckungen möglich sind, beweist die Arbeit von Gabriele Wiesemann über Hanns Hopp (1890-1971). Mit ihrem kommentierenden Essay im Reprint des «Neue Werkkunst»-Bandes über Hopp aus dem Jahr 1929 unternahm die Autorin bereits 1998 einen ersten verdienstvollen Schritt, um die Rezeption Hopps in Gang zu bringen.

1. April 2000 - Jürgen Tietz
Dass der Name Hopp heute selbst unter Architekturkennern nahezu unbekannt ist, liegt daran, dass seine wichtigsten Arbeiten in zwei Städten entstanden, die bis 1990 abseits der Trampelpfade architekturwissenschaftlicher Forschung lagen: Königsberg und Ostberlin. Nach expressionistischen Anfängen etablierte sich der ebenso kunstsinnige wie ehrgeizige Bildungsbürger Hopp in den zwanziger Jahren als freier Architekt in Königsberg, wo bis 1933 kaum ein öffentlicher Auftrag an ihm vorbeiging. Mit seiner Mädchengewerbeschule und dem Königsberger Parkhotel (beide 1929/30), bei denen er sich aus dem Stilfundus des Neuen Bauens bediente, machte er sich in Deutschland einen Namen als fortschrittlicher Architekt. Trotz seiner exponierten Rolle in Königsberg konnte Hopp im Dritten Reich nach einer kurzen Zeit der Anfeindungen als Privatarchitekt weiterarbeiten. Öffentliche Aufträge erhielt er jedoch nicht mehr.

Hopps zweite Karriere begann mit seiner Flucht aus Königsberg. Sein steiler Aufstieg in der sowjetischen Besatzungszone und der jungen DDR führte Hopp über Dresden und Halle, wo er zum Leiter der Burg Giebichenstein aufstieg, bis nach Berlin. Zunächst im Institut für Städtebau und Hochbau im Ministerium für Aufbau (1950) beschäftigt, arbeitete er im folgenden Jahr in der neu gegründeten Bauakademie, wo er sich als Leiter einer der drei Meisterwerkstätten neben Richard Paulick und Hermann Henselmann als führender Architekt des Staates etablierte.

Chamäleonhaft wechselte der Duktus in Hopps Arbeiten. Seine Wiederaufbauvision für Dresden 1945 stand mit ihrem strengen Hochhausraster noch ganz im Zeichen Le Corbusiers. Mit dem Kulturhaus Maxhütte (1955), den Tbc-Heilstätten in Bad Berka (1957) und vor allem bei den Abschnitten E und G der Berliner Stalinallee (1955) verstand er es, sich dem politisch verordneten Stil der «nationalen Tradition» im Geiste Schinkels anzupassen. Zwar unterstreicht Wiesemann, dass sich Hopp nicht diskussionslos den Forderungen der Partei unterwarf, doch ging es ihm nicht anders als den meisten seiner Kollegen. Wollte er seine privilegierte Position in der DDR nicht gefährden, mit der er sich grundsätzlich identifizierte, war offener Widerspruch gefährlich.

Einziger Kritikpunkt an der umfangreich recherchierten und vorzüglich ausgestatteten Studie Wiesemanns ist, dass Hopps Persönlichkeit und seine ästhetischen Grundsätze seltsam unscharf bleiben. Diese Indifferenz könnte freilich auch zu den Wesenszügen des Machtmenschen Hanns Hopp gehört haben, ohne die er sich nicht so erfolgreich in unterschiedlichen politischen Systemen hätte behaupten können.


[ Hanns Hopp. Ein Architekt in Ostpreussen. (Reprint der Ausgabe von 1929.) Nachwort Gabriele Wiesemann. Gebr.- Mann-Verlag, Berlin 1998. Fr. 114.-. - Gabriele Wiesemann: Hanns Hopp 1890-1971. Eine biographische Studie zur modernen Architektur. Verlag Thomas Helms. 312 S., Fr. 128.-. ]

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