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Für Architekturtheorie gibt es keinen Markt, beklagt der Leiter des „Architektur Zentrum Wien“, Dietmar Steiner. Sprach's und gründete eine eigene Publikationsreihe.

13. April 2000 - Sabine Oppolzer
In den 60er und 70er Jahren noch waren es die „Perry Rhodan“- oder „Jerry Cotton“-Romane, die mit trashigem Cover und auf billiges Papier gedruckt über die Ladentische wanderten. Im Jahr 2000 ist es eine Architekturzeitschrift namens „hintergrund“, die sich in derartigem Schundheft-Outfit präsentiert. Herausgeber ist das Architektur Zentrum Wien. Für dessen Leiter, Dietmar Steiner, ist das Layout eine „interessante Mogelpackung“, die gerade keinen Schund, sondern anspruchsvolle Texte präsentieren will.


Breite Themenpalette

Architekturtheoretische Fragen sollen hier abgehandelt werden, die meist weit über die Architektur hinausgehen, bis in die Chaostheorie oder in die Soziologie hinein. Zielpublikum, das mit Schundheft-Look und dem entsprechenden Preis angezogen werden soll, sind in erster Linie Architekturstudenten und junges Publikum. Während die Architektur in der Nachkriegszeit vor allem unter dem Aspekt der Bedarfsdeckung gesehen wurde, ist sie heute Teil der Kulturindustrie und erreicht damit eine viel größere Öffentlichkeit.


Strukturwandel der Öffentlichkeit

Wie sehr die mediale Verwertung und Präsentation Teil des Architektur-Produktionsprozesses geworden ist, zeigt Dietmar Steiner anhand des Beispiels der Londoner Tate Gallery. „Ich war letzte Woche bei einer internen Pressekonfernz, bei der Architekt Jaques Herzog einen ganzen Tag im 10-Minuten-Takt nur Interviews gebeben hat. Das war vor zehn Jahren noch völlig undenkbar. Da hat es eine Presseerklärung gegeben und das war's dann.“

In der Nullnummer von „hintergrund“ beklagt Dietmar Steiner den schlechten Zustand der heimischen Architekturpublizistik. Gemeint ist nicht die Qualität der veröffentlichten Texte, sondern die mangelnden Publikationsmöglichkeiten als solche. „In gierigen Shareholder-Value-Zeiten wie diesen ist die Theorie der Architektur, die kritische Reflexion von soziologischen und urbanistischen Fragen nicht mehr marktfähig“, schreibt Steiner weiter. Das Architekur Zentrum „musste, um seine theoretische und kritische Kompetenz der interessierten Öffentlichkeit anbieten zu können, sein eigenes Produkt entwickeln“.

Wie groß das Interesse „der Öffentlichkeit“ ist, zeigen die 150.000 monatlich verzeichneten Zugriffe auf die Homepage des AZW aus aller Welt, von Chile bis Aserbaidschan.

Die „hintergrund“-Nummer 01/April 2000 enthält unter anderem folgende Beiträge: Richard Ingersoll, „Tourismus und das Überleben der Realität“; Liane Lefaivre, „On the road mit Mies van der Rohe“; Michael Mönninger, „Auf der Suche nach der verlorenen Urbanität“.

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