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Lieber Plot als Pot
Spectrum

Gärten zählten bis vor einigen Jahren zu den Soft Skills der Planung: Erst das Haus – die Pflanzen wachsen dann eh von selbst. Dass sich daran einiges zu ändern beginnt, liegt auch an Initiativen wie „Public Spots On Private Plots“.

2. Oktober 2010 - Judith Eiblmayr
Den „Gärten im Film“ war jüngst ein Vortrag beim Symposium „Public Spots On Private Plots“ gewidmet, der einen Einblick in die Prägung des Filmplots durch den „Private Plot“ – das private Grundstück – bot. Der Garten steht beim Planen für das Unberechenbare und Wandelbare, das im Gegensatz zur Strukturiertheit des Hauses selbst das emotionale, im wahrsten Sinne des Wortes gewachsene Element verkörpert. „Der Garten als angestrengte Inszenierung der Natur, als Überwindung der Wildnis, als Zeugnis von Zivilisation, wird im Kino oft zum Sinn – und Schaubild“, erläuterte Judith Wieser-Huber in ihrem gemeinsam mit Gisela Steinlechner gehaltenen Referat.

Während im europäischen Film der Garten als abgegrenzter Außenraum privater Befindlichkeiten inszeniert wird, dient er im amerikanischen Film entweder als verbindliches Element zwischen einzelnen Häusern – etwa in Form einer gepflegten Grünfläche, sei es in der Vorstadt oder am Campus –, als opulent und detailreich geplanter Garten hinter schweren Gittertoren, um den Luxus seiner Besitzer zu unterstreichen, oder als Abenteuerschauplatz in der gezähmten Wildnis eines Nationalparks. In zwei Klassikern des amerikanischen Thrillers jedoch wird derin den USA eher seltene eingezäunte Garten zum Ort, wo das Unglück dräut: In David Lynchs „Blue Velvet“ und in Hitchcocks „Die Vögel“ beschreibt jeweils ein Holzzaun markant das Feld der Bedrohung.

Die Beispiele der „inszenierten Natur“ sind deshalb ausführlich angeführt, da man erst durch so anschauliche Interpretationen erkennt, wie vergleichsweise selten über gestaltete Außenräume ein der Architekturkritik analoger Diskurs geführt wird. Gärten zählten bis vor einigen Jahren zu den Soft Skills der Planung, nach dem Motto: Erst das Haus – und der Garten kommt später dran. Oder: Die Pflanzen wachsen dann eh von selbst. Dass die Freiraumplanung idealerweise bereits dem architektonischen Prozess integriert ist und das Grün als Raum und nicht mehr als bloße Restfläche definiert wird, findet aber immer mehr Verbreitung.

Beim Symposium „Public Spots On Private Plots“ wurde programmatisch der geplante Grünraum ins Scheinwerferlicht gerückt, sei es privat oder öffentlich – vom begrünten Hinterhof bis zur neu angelegten Parkanlage. Neben dem theoretischen Exkurs in die szenografische Annäherung an die Gartengestaltung durch die beiden Österreicherinnen berichteten die drei anderen Referenten über ihre Arbeit als Freiraumplaner. Der britische Architekt Neil Porter, der gemeinsam mit seiner Frau, Kathryn Gustafson, das Büro „Gustafson Porter – Landscape“ in London betreibt, zeigte seine Arbeiten, wobei die ringförmige Wasserbeckenanlage des „Diana, Princess of Wales Memorial“ im Londoner Hyde Park wohl die bekannteste ist. Der Franzose Xavier Perrot, der mit dem Vietnamesen Andy Cao das Studio „Cao I Perrot“ in Los Angeles und Paris betreibt, sieht die Gartenanlage eher als Hybrid von Landschaft und Kunst. Der holländische Freiraumplaner Bart Brands – von „Karres en Brands“ – hingegen kämpft bei seinen Planungen um Verständnis für den sozialen Aspekt der Freiräume. Es sollten wirklich freie Räume sein, in denen noch nicht jede Wegführung, jede Funktion determiniert ist, sondern wo den Nutzern die Chance gegeben wird, selbst zu definieren, was in einem Park passieren soll.

Die Referenten mit ihren dispersen Intentionen bildeten gemeinsam mit der österreichischen Landschaftsarchitektin Andrea Czejka die internationale Jury des zum vierten Mal stattfindenden Wettbewerbs „Best Private Plots“, mit dem privaten Freiraumgestaltungen öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Der Institutionalisierung dieses weltweit einzigen Wettbewerbs für Gartenarchitektur geht auf eine Initiative der Landschaftsarchitektin Karin Standler, der Gartenbauwissenschafterin Andrea Heistinger und des Architekten Robert Froschauer zurück. Eine österreichische Initiative, die 2006 ein außergewöhnliches Konzept entwickelte: Die zunehmende Popularisierung der Gartenkultur sollte aufgegriffen werden, um den Mehrwert von Planung und Kultivierung im privaten Grünraum publik zu machen und die ökologischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge zu thematisieren. Schließlich ist die anstrengende, aber meist lustvoll erlebte Arbeit des „Gartelns“ hinter dem eigenen Zaun eine Kulturleistung an die Allgemeinheit. Nicht nur, dass ein Garten meist von anderen Menschen eingesehen werden kann: Blühende Bäume und gepflegte Beete garantieren die Artenvielfalt bei Flora und Fauna, und davon profitiert die ganze Gesellschaft.

Als Partner für den Wettbewerb konnte das Land Niederösterreich gewonnen werden. Seit dem Jahr 2006 fungiert der Verein „Natur im Garten“, der Gartenbesitzern bei der Gestaltung nach ökologischen Richtlinien konsultativ zur Seite steht, als Mitveranstalter, daher findet die Veranstaltung auch im Loisium, mitten im Langenloiser Weinberg, statt und zieht Teilnehmer aus dem In- und Ausland an. Denn auch der Wettbewerb selbst hat sich rasch zu einer international beachteten Veranstaltung entwickelt: Heuer langten 72 Einreichungen ein – von Wien bis Litauen, von Irland bis Japan – und boten ein breites Spektrum an akzentuierender Bepflanzung, gezielter Wegführung und Raumbildung und die Tektonik betonenden Geländeformen.

28 Beiträge wurden, wie jedes Jahr, in einem Katalog publiziert, und es war spannend zu beobachten, nach welchen Kriterien die Jury daraus die Preisträger wählte, so unterschiedlich waren die Konzepte: Die Anerkennungen erhielten ein im Abstandsgrün im Wiener Gemeindebau angelegter Nachbarschaftsgarten („Wirbel Institut für feministische Forschung und Praxis, Wien) und ein Waldgarten an einem See in Wisconsin, USA (Swift Company, USA). Die drei Preisträger stammen aus den USA (Stone Hedge Farm von Andrea Cochran), der Schweiz (Calonder Landscape Architects) und Japan (Landscape-Niwatan). Das Siegerprojekt „mori x hako“ ist nicht nur räumlich originell, sondern auch im kulturellen Kontext stimmig, wächst doch der „Waldgarten“ im schmalen Atrium eines Hauses über drei Geschoße der Sonne zu. Näheres unter www.privateplots.at.

Früher waren es die „Private Pots“, die Blumenkisterln, die als Elemente der Dorfverschönerung üppig bepflanzt und vor die Fenster gehängt wurden; jetzt sind es eben die Plots, die Gärten, auf die das Spotlight gerichtet wird und die als Hot Spot erkannt werden. Auch wenn sie noch so lauschig und kühl sind.

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