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Schicke Passivhäuser für die Masse
Der Standard

Wohnen

Im oberösterreichischen Grieskirchen und in Wien stehen Passivhaussiedlungen, die ökologisches Bewusstsein und Wirtschaftlichkeit mit hohem architektonischem Anspruch verbinden, kurz vor der Realisierung.

27. Juni 2003 - Franziska Leeb
Besucht man die Website des Passivhausinstitut Darmstadt, der führenden Instanz in Sachen Passivhaus, sind zwei Dinge schnell erkannt: Für einen Architekturpreis kommen nur die wenigsten Bauten infrage. Und der Anteil an verdichteten Wohnformen ist verschwindend gering.

Beides muss und kann sich verändern, sagen die oberösterreichischen Architekten Helmut Poppe und Andreas Prehal. Sie haben bereits etliche Einfamilienhäuser in Passivhausqualität gebaut, die sich durchaus sehen lassen können und kurz vor Fertigstellung ist der erste Passiv-Supermarkt in Kirchberg-Thening. Im Zweifelsfall zählen für sie architektonische und städtebauliche Kriterien höher als die Energiekennzahlen. Spannungsreiche Raumfolgen sind wichtiger als eine sture Südausrichtung. „Stadtgestalt und Ökologie sind keine unvereinbaren Gegensätze“, sind Poppe und Prehal überzeugt. Vorhandene Ressourcen müssten ökologisch weiterentwickelt werden.

Für die oberösterreichische Gemeinde Grieskirchen entwickelten sie ein ökologisches Stadtentwicklungskonzept auf einem zentrumsnahen Areal von 32 Hektar. Ein Schulbezirk für 1500 Schüler und eine Siedlung mit rund 500 Wohnungen soll im Stadtteil Parz entstehen und der von Bevölkerungsrückgang geplagten Einpendlergemeinde einen positiven Entwicklungsschub verleihen. Über das Öko- und Energiethema - die Reduktion des Siedlungs-und Verkehrsflächenverbrauchs sowie des Energiebedarfs - will sich die Stadt neu positionieren.

Auch Passivhäuser soll es in der Siedlung geben. Unabhängig vom Entwicklungskonzept für Grieskirchen hat das Büro Poppe*Prehal 2002 das „Haus der Zukunft“-Forschungsprojekt SIP (Siedlungmodelle im Passivhausbau) abgeschlossen, in dessen Rahmen gemeinsam mit dem Fertighauserzeuger Genböck auch Holzhaustypen für den verdichteten Flachbau und Geschoßwohnbau entwickelt wurden.

Teil des Konzeptes ist auch die „Ökologisierung des Passivhauses“, was auf den ersten Blick irritierend erscheint. Doch so durch und durch „öko“ sind viele Passivhäuser nicht. Ein durchschnittliches Passivhaus ist zum Beispiel in 120 Kubikmeter Polystyroldämmung eingepackt. SIP unterzog deshalb 600 Materialien einer Bewertung nach sowohl ökologischen als auch wirtschaftlichen Kriterien und untersuchte deren Lebenszyklus. Sechzehn Passivreihen- und Doppelhäuser sind als erste Baustufe für die Grieskirchner Siedlung in Planung. Bereits in diesem Herbst soll in Winklarn bei Amstetten mit einer Passivhaussiedlung begonnen werden (Bauträger: Gebau-Niobau).


Sparsam in Wien

Auch in Wien sind zwei Passivhausprojekte im Geschoßwohnbau in Vorbereitung. Das Projekt am Kammelweg in Floridsdorf soll ab 2005 rund 600 Bewohnern Energie sparenden Wohnkomfort bieten. Die Projekte der Erstgereihten des zweistufigen Bauträgerwettbewerbes befinden sich zurzeit in der Nachbearbeitungsphase.

Weiter fortgeschritten sind die Planungen für das Projekt in der Utendorfgasse im 14. Bezirk. Einfach drauflosgebaut wird auch hier nicht. In einem ebenfalls vom „Haus der Zukunft“-Programm geförderten Forschungsvorhaben des Planungsbüros Schöberl & Pöll wurden bestehende Energiesparprojekte im sozialen Wohnbau in Deutschland und Österreich analysiert, um aus diesen Erkenntnissen die Planungsziele für ein Wiener Wohnhaus in Passivbauweise nach den Kriterien des Passivhausinstituts Darmstadt zu definieren. Realisiert wird das Projekt von der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft Heimat Österreich, die bereits mit einem sechs Wohneinheiten umfassenden Haus in Salzburg-Gnigl Passivhauserfahrung gesammelt hat.

Wie Helmut Schöberl und Michael Pöll in ihrem Bericht festhalten, verlangen Passivhäuser in manchen Bereichen ein anderes Nutzerverhalten als herkömmliche Wohnungen. Die Funktionsweise der Lüftungsanlage, ihre Handhabung oder die Bedeutung der Verwendung energieeffizienter Elektrogeräte wären zum Beispiel solche Punkte. Die Mieter müssen nicht nur im Vorfeld aufgeklärt werden und eine Grundschulung erhalten, sondern sollten auch später noch Ansprechpartner bei allfälligen Problemen mit der Anlage haben.

Franz Kuzmich ist der Architekt der Wohnhausanlage Utendorfgasse. Dass die Vorgabe „Passivhaus“ gestalterische Einschränkungen mit sich bringt, stört ihn nicht. Das sei ähnlich „wie mit dem Luftwiderstand im Automobilbau“. Zwar müsse man einige Grundsätze wie kompakte Baukörper oder erhöhte Dämmstärken berücksichtigen, ein Spielraum für die Gestaltung bleibt dennoch. Was neu ist, ist die Komplexität der Aufgabe und die anspruchsvolle Haustechnik. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen ist unumgänglich und weitaus intensiver als im herkömmlichen Wohnungsbau.

Achtunddreißig Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen wird das direkt an eine bestehende Bebauung angrenzende Projekt in Floridsdorf umfassen. Die durch die Passivhausweise verursachten Mehrkosten betragen 73 € / m², laut Helmut Schöberl ein realistischer Wert, der wahrscheinlich nicht nach oben korrigieren werden muss.

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