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Vom Barock zur zeitgenössischen Kunst
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Die Hauptkonfliktfelder zeitgenössischer Kirchen-Umgestaltung wurden in Linz beim Symposium „Altarraum als Gemeinderaum. Umgestaltung bestehender Kirchen“ diskutiert.

7. Juni 2003
In der Kirche von Mauthausen wird das barocke Ensemble durch einen weißen, elliptisch, geformten Teppich gebrochen, der auf den Stufen zum Chorraum liegt. Auf dem Teppich stehen, ebenfalls in weiß, gehalten, der Ambo (der an ein Rednerpult erinnernde Ort der Verkündigung) und der Altar. Die strengen, geraden Linien der neuen Raum-Elemente werden durch weiche Rundungen an den Seitenkanten und den Ecken abgemildert. Im selben Stil, etwas weiter hinten im Chorraum, stehen die Sedes, die Sitze für die Zelebranten. Noch weiter dahinter befinden sich zwei alte Bürgerbänke.

Wäre es nach dem ursprünglichen Konzept des 2001 erfolgten Umbaues gegangen, hätten die Bürgerbänke, weil das neue Ensemble störend, entfernt werden sollen. Wegen des kulturhistorischen Wertes, der rund 200 Jahre alten Sitzgelegenheiten, hat sich aber die Denkmalpflege quer gelegt. Im Vorfeld der Umgestaltung ist es innerhalb der Pfarrgemeinde zu heftigen Diskussionen gekommen. Unterschriften wurden gesammelt. Sogar der Ruf nach der Absetzung des Pfarrers wurde laut, erinnert sich die Pastoralassistentin Christine Roskar.


Konflikte beim Umbau

Der Umbau der Pfarrkirche von Mauthausen ist kein Einzelfall. Die Konfliktlinien verlaufen in fast allen Gemeinden ähnlich. Die Denkmalpflege will, ihrer Meinung nach, Bewahrenswertes erhalten. Künstler und Architekten wiederum versuchen ihre Vorstellungen umzusetzen.

Für die Gläubigen sind die architektonischen Veränderungen, meist Eingriffe in Jahrzehnte alte Raum- und Sehgewohnheiten. Im Gegensatz dazu, setzt die Liturgie bei den Umgestaltungen die Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils um.


Veränderungen durch Zweites Vatikanum

Vor 40 Jahren, im Jahr 1963, hat die Liturgiekonstitution eine neue Gestaltung der bestehenden Kirchenräume beschlossen. Hintergrund der Entscheidung waren die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Bis dahin waren die liturgischen Feiern ausschließlich auf den Klerus beschränkt. Im wesentlichen waren die Gläubigen auf die Rolle des passiven Zuschauers reduziert. Gepredigt wurde von der Kanzel, die Sprache war Latein. Die Priester beteten in Richtung Hochaltar, den Kirchenbesuchern wandten sie den Rücken zu. Festgelegt wurde diese, immerhin 400 Jahre lang gültige Liturgie, während des Konzils von Trient in den Jahren 1545 bis 1563.


Neues Gemeindeverständnis, neue Formen

Hinter der Umgestaltung der Kirchenräume stand ein neues Gemeindeverständnis, das die Gläubigen zu aktiven Teilnehmern an der Liturgie machte. Umgesetzt wurde das Ziel u.a. durch folgende Vorgaben:

- In jeder Kirche steht nur ein einziger Altar. Wenn ein alter Altar so platziert ist, dass er die Mitfeier des Volkes behindert und nicht ohne Schaden seines künstlerischen Wertes versetzt werden kann, dann soll ein weiterer, freistehender Altar errichtet werden, der künstlerisch gestaltet und geweiht ist.

- Der Altar soll frei stehen, damit man an ihm der Gemeinde zugewandt die Messe feiern kann.

- Die Tischplatte eines fest stehenden Altares soll aus Naturstein sein, denn der Altar ist das Symbol für Christus, den lebendigen Stein.

-- Der Altar soll der Mittelpunkt des Raumes sein. Die Aufmerksamkeit der Gemeinde soll sich ihm von selbst zuwenden.


Umbauphasen seit zweitem Weltkrieg

Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs bis zum zweiten Vatikanischen Konzil gab es schon so etwas wie einen Boom in Sachen Kirchen-Umgestaltung. Schon die vorkonziliaren Veränderungen beschränkten sich nicht nur auf die Beseitigung der Kriegsschäden. Vieles, was man damals als überflüssige Dekoration betrachtete, wurde aus den Kirchenräumen entfernt. Durch die Vorgaben der Liturgie-Konstitution wurde die Entwicklung noch zusätzlich beschleunigt.

In der ersten Umgestaltungsphase, die von 1963 bis Ende der 70er Jahre dauerte, ging man oft zu radikal vor. Viele heute wieder als kulturhistorisch wertvoll eingestuften Ausstattungselemente, vor allem aus dem 19. Jahrhundert, wurden entfernt. Entsprechend kam es zu Konflikten zwischen den Liturgen, die die Umsetzung der Vatikanischen Vorgaben verfolgten, und den Denkmalpflegern.


Seit den 80ern lebendigere Gestaltung

Seit Beginn der 80er Jahre versucht man, die vieler Orts puristischen Innenräume wieder lebendiger zu gestalten. Elemente der Volksfrömmigkeit halten nun, nach Jahrzehnte langer Abwesenheit, wieder Einzug in den Kirchraum. Bestes Beispiel dafür ist der Wiedereinbau von Kanzeln, auch wenn sie heute keine liturgische Funktion mehr haben.

Was die Liturgie-Konstitution auch noch vorschreibt, sind gültige und würdige Räume. Nach den Richtlinien der kirchlichen Stellen dürfen die neu gestalteten, sakralen Orte aber keinesfalls historisierend sein. Die Formensprache darf sich also nicht am alten Bestand orientieren. Viel mehr, so die Forderung, soll erkennbar sein, dass es sich um Zeugnisse der Gegenwart handelt.


Falsch verstandener Funktionalismus

Manche Kirchenvertreter sehen die neuen Normen als Auftrag, das Innere ihrer Kirche möglichst funktional zu gestalten. Neben finanziellen Grenzen bestimmen vor allem Fragen, wie jene der Pflegeleichtigkeit der Fußböden, oder der Reinigungsaufwand für die Sitzbänke, den Umbau.

Auch wenn die Mittel beschränkt sind, gehen viele Gemeinden bewusst einen anderen Weg. Um bei einem Umbau möglichst hohe Qualitätsstandards zu garantieren, werden in vielen Kirchen zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler durch Wettbewerbe engagiert.

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