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Bahnhof und Palace
Neue Zürcher Zeitung

Projekte in Mendrisio und Lugano

2. November 2001 - Roman Hollenstein
Ausserhalb der weitgehend unverdorbenen Altstadt hat sich Mendrisio in den vergangenen Jahrzehnten zu einer amorphen Agglomeration gewandelt. Doch spätestens seit sich im Magnifico Borgo die Tessiner Architekturakademie angesiedelt hat, macht man sich hier um baukünstlerische und urbanistische Aspekte vermehrt Gedanken. Deshalb schrieb der Stadtrat im Rahmen von «Europan 6» einen internationalen, für Architekten bis zum 40. Altersjahr offenen Wettbewerb zur Neuordnung der Industriezone rund um den Bahnhof aus. Obwohl sich der Schweizer Nachwuchs - anders als die internationale Konkurrenz - kaum für dieses städtebauliche Projekt interessierte, ging der Preis an ein helvetisches Team, und zwar an die Genfer Fracheboud, Golchan, Robyr, Sonderegger und Zimmermann, die der Città diffusa eine verdichtete Bandstadt zwischen Bahnhofplatz und Autobahn entgegensetzten. (Die eingereichten Projekte für Mendrisio und für den zweiten Schweizer Europan-6-Standort in Illnau-Effretikon, für den die Jury keinen Preisträger bestimmte, sind bis zum 4. November im Parktheater Grenchen zu sehen.)

Mangelndes städtebauliches Denken machte auch die STAN, der Tessiner Heimatschutz, bei den im Frühjahr prämierten Projekten des international ausgeschriebenen Palace-Wettbewerbs in Lugano (NZZ 1. 6. 01) aus und veranstaltete eine eigene Jurierung, deren Sieger soeben bekannt gegeben wurden: Marco Dezzi (Mailand) vor Cabrini & Cabrini (Lugano), Marcel Ferrier (St. Gallen) und Giraudi & Wettstein (Lugano). Damit kritisiert die STAN einen Schwachpunkt des Wettbewerbs, nämlich dessen Überfrachtung mit Funktionen (Theater, Museum, Büros, Wohnungen), auf welche die meisten Teilnehmer reagierten, indem sie massiv in die Gestalt von Gebäude und Park eingriffen oder aber - wie Cabrini & Cabrini - die Rahmenbedingungen ignorierten und das Theater dem Palace gegenüber direkt an den See stellten. Wenn nun die STAN auf diesem neuen Standort beharren sollte, so müsste wohl der ganze Wettbewerb neu aufgerollt werden. Es sei denn, alle Beteiligten erklärten sich damit einverstanden, Restaurierung und Umbau des Palace möglichst unverzüglich Tita Carloni anzuvertrauen und für den Theaterbau eine neue Ausschreibung zu veranstalten - in der Hoffnung, doch noch eine wegweisende Lösung zu finden.

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