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Bekannt in neuem Gewand
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Entstehen Traditionen aus Nachahmung? Die Weiterentwicklung ursprünglicher Bauaufgaben bringt eine neue Bodenständigkeit hervor. Gefunden auf einem Bauernhof im Hausruckviertel.

19. Oktober 2013 - Romana Ring
Kaum einer Bevölkerungsgruppe wird so viel Beharrungsvermögen zugeschrieben wie dem Bauernstand. Kaum ein Gebäudetypus ruft so verlässlich Bilder von dicken Mauern, mächtigen Dächern und massiven Holzquerschnitten in unserer Vorstellung wach wie der Bauernhof. Das in Wels ansässige Architekturbüro Luger & Maul beschäftigt sich seit Beginn seiner Tätigkeit vor bald 25 Jahren immer wieder mit der Weiterentwicklung traditionsgebundener Bauaufgaben. Das Anwesen, das sie für eine Landwirtsfamilie im oberösterreichischen Hausruckviertel geplant haben, zeigt, wie weit diese Entwicklung bereits gediehen ist.

Luger & Maul haben das Gehöft im Grünland, jedoch am Rand des Siedlungsgebietes der Gemeinde Finklham in das hügelige Gelände gefügt. Eine Zufahrt zweigt von der Straße ab und führt ein kurzes Stück den nach Westen abfallenden Hang hinauf zu einem weiten ebenen Platz, den eine Sichtbetonwand mit großen Radien aus dem Gelände schneidet. Aus etwa der Mitte dieses Platzes erhebt sich, mit der östlichen Stirnwand an den Hang gerückt, das eine Kernstück des Hofes: die Maschinen- und Manipulationshalle. Ihr über eine Grundfläche von gut 300 Quadratmetern und eine Höhe von mehr als zwei Geschoßen aufgespanntes Volumen wird an den Schmalseiten von zwei Sichtbetonscheiben begrenzt. Die Längswände aus Holz ruhen auf einem betonierten Sockel und werden von je zwei einander gegenüberliegenden Holztoren durchbrochen. Ein Vordach ist auf beiden Seiten knappoberhalb der Toröffnungen über die gesamte Länge der Fassade gespannt. Es ist wie das Dach der Halle aus Holz konstruiert. Die Halle ist zum Teil unterkellert.

Neben ihr liegt, durch einen niedrigen Garagentrakt verbunden, das vergleichsweise fragil anmutende Wohnhaus. Es erhebt sich zweigeschoßig im rechten Winkel zur Halle über einem lang gezogen rechteckigen Grundriss und gewinnt durch seine Lage an der Böschungskante zur Straße hin einiges an Imposanz. Auch im Wohntrakt haben Luger & Maul zwei Bauweisen kombiniert: Seine der Halle im Norden zugewandte Längswand ist als massive, nur von zwei Öffnungen durchbrochene Mauerscheibe ausgebildet, die als schmales U den Rücken des Hauses umfängt. Davor, im Süden, erhebt sich ein konstruktiver Holzbau. Der Eingang in das Haus befindet sich im eingeschoßigen Verbindungstrakt, der die Eingangszonen mit tiefen Vordächern beschirmt. So betritt man wahlweise das Büro des Betriebes oder den Wohnbereich der Familie. Das südliche Dach deckt einen Sitzplatz im Freien, der den Essplatz nächst der Küche erweitert.

Das umfassende Einbeziehen des Außenraumes in die Architektur ist ein Schlüsselthema der Anlage. Der Geste, mit der die Stützwand dem Hang auf der einen Seite ebene Fläche abgewinnt, antwortet auf der anderen Seite die rhythmische Abfolge raumhoher, von auskragenden Dächern beschatteter Glaselemente, die den Wohnräumen das ringsum sich ausbreitende Hügelland zu Füßen legen. Der Grundriss des Wohnhauses ist auf beiden Ebenen in einer nach Süden orientierten Zimmerflucht organisiert, die von der massiv ummantelten Zone im Norden erschlossen wird. Eine einläufige, parallel zur Längskante verlaufende Stiege verbindet die beiden Geschoße. Im Erdgeschoß haben Wohn- und Wirtschaftsräume Platz gefunden, wobei das Wohnzimmer an der Südwestecke des Hauses mit der davor ausgeweiteten Terrasse eine prominente Stellung einnimmt. Ihm entspricht im Obergeschoß ein großes Schlafzimmer mit eigenem Bad und Schrankraum. Doch auch die anderen Schlafzimmer bieten mit ihren Ausgängen auf den gedeckten Balkon höchste räumliche Qualität.

Das kulturelle Niveau der Anlage erschöpft sich allerdings nicht im Bereitstellen einer schönen Aussicht. Die kluge, in ihrer Intention vor allem alltagstaugliche Führung der Wege durch die Anlage etwa beruht auf einer sorgfältigen Planung der Lichtverhältnisse und Ausblicke. Der große Glasausschnitt, mit dem sich die Maschinenhalle auf der Höhe ihrer Vordächer zum Landschaftsraum öffnet, zeigt ein ähnliches Motiv wie der Blick durch die gesamte Länge des Wohnhauses, den eine Folge gläserner, orthogonal an die Fensterwand schließender Türen frei gibt. Das zart detaillierte Aufeinandertreffen von massiver Wand und Holzkonstruktion bezeugt wie die sorgfältig gestalteten Übergänge zwischen den Materialien der Innenräume das große handwerkliche Verständnis und den hohen Durcharbeitungsgrad der Planung. Es sind also die Verbindung vorausschauend durchdachterFunktionsabläufe, ihre Übersetzung in geeignete Technologien und nicht zuletzt das unbedingte Bekenntnis zu Ordnung und Form, die den Hof als Vorbild qualitätsvollen zeitgenössischen Bauens für die Landwirtschaft zeigen.

In diesem Zusammenspiel des Vernünftigen und Schönen liegen die gemeinsamen Wurzeln des neuen und des traditionellen Bauens. Wirtschaftlich erfolgreiche Landwirte heute haben Mitarbeiter, kein Gesinde. Ihre Geräte werden von Verbrennungsmotoren bewegt, nicht von Pferden. Der Misthaufen in der Mitte des Hofes hat sich erübrigt. Gültig geblieben sind Fragen nach dem Verantwortungsbewusstsein der Bauernschaft; nach einem Bekenntnis zu Qualität und Nachhaltigkeit auf vielerlei Ebenen, auch auf jener der Baukultur. Luger & Maul haben mit Rücksicht auf den Siedlungs- und Landschaftsraum, mit feinem Gespür für die Ausdruckskraft der Materialien und aus einem reichen Erfahrungsschatz zu Wechselwirkung von Funktionalität und ästhetischem Anspruch schöpfend gehandelt. Ihre Auftraggeber wiederum haben zum Gelingen des Vorhabens mehr als dessen bloße Finanzierung beigetragen. Entstehen Traditionen aus Nachahmung? Zuweilen hat diese Vorstellung etwas Ermutigendes an sich.

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